Jesus steht draußen vor der Tür

Joachim Hübel

Das vollständige Dokument im pdf-Format (1,8 MB) kann ganz unten kostenlos heruntergeladen werden.

Hast du dich schon mal aus deiner eigenen Wohnung ausgeschlossen? Du hast die Haus- bzw. Wohnungstür ins Schloss gezogen, und fast im selben Moment ist dir siedendheiß eingefallen, dass du vergessen hast, den Hausschlüssel einzustecken. Wie gut, wenn dann noch ein Familienangehöriger oder Mitbewohner im Haus bzw. in der Wohnung ist, der unser Klingeln oder Klopfen hört und uns öffnen kann. Doch wehe, wenn keiner da ist, der uns die Tür öffnet. Dann müssen wir unser Missgeschick teuer beim Schlüsseldienst bezahlen.

Eine ähnliche Situation wird in der Johannes-Offenbarung in einem der „Sendschreiben“ an die Gemeinden beschrieben: Jesus Christus steht vor der Tür und klopft an: Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen und er mit mir. … Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ (Offb 3,20.22)

Diese Textstelle wird in christlichen Kreisen traditionell in evangelistischer Weise interpretiert: Jesus steht bei Ungläubigen vor der Herzenstür und klopft an. Wenn jemand auf seine Stimme hört und ihm im Glauben sein Herz öffnet, dann kann er dort einziehen. Und dann wird der Betreffende von Christus gerettet, empfängt Sündenvergebung und das ewige Leben.

Doch wir müssen uns bewusst machen, dass der Kontext diese Aussage ein Brief (Sendschreiben) an eine Gemeinde ist und daher in entsprechender Weise ausgelegt werden muss: Jesus steht draußen vor der Haustür einer seiner Gemeinden, die ja eigentlich seine geistliche Wohnstätte ist: „… größere Ehre als das Haus hat der, der es erbaut hat. Denn jedes Haus wird von jemand erbaut; der aber alles erbaut hat, ist Gott. … Christus aber [ist eingesetzt] als Sohn über sein [geistliches] Haus. Sein Haus sind [und bleiben!] wir, wenn wir die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten.“ (Hebr 3,3-6) Und was ist das entscheidende Merkmal einer wahren Gemeinde Jesu als Haus Gottes“ (Ps 52,10)? – Richtig! Der auferstandene Herr ist in ihrer Mitte!„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ (Mt 18,20) Deshalb sollten Gläubige wissen, „wie man sich verhalten muss im Hause Gottes, das die Gemeinde des lebendigen Gottes ist, die Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1.Tim 3,15) – und auch, was es bedeutet, wenn man/frau sich „in seinem Namen“ versammelt.

„Im Namen Jesu versammelt sein“ bedeutet: Menschen, die die „geistliche Neugeburt“ erfahren haben (Joh 1,12.13;  3,3.5-8;  Tit 3,4-7), weil sie sich bekehrt haben und an das wahre, schriftgemäße Evangelium glauben (1.Kor 15,1) und den wahren Jesus Christus als ihren Erlöser und Herrn angenommen haben (Röm 10,8-10.17 vgl. Gal 1,6-9;  2.Kor 11,3.4), kommen „in seinem Namen“ zusammen, um das zu tun, was dem Herrn gefällt: sie haben geistliche koinonia-Gemeinschaft, sie beten gemeinsam, halten sein Gedächtnismahl, hören sein Wort und folgen seiner Lehre (Apg 2,42). Gerade letzteres ist ein Markenzeichen wahrer Jüngerschaft: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaft meine Jünger“ (Joh 8,31). Wer es mit dem Wort Christi (Röm 10,17;  Mt 7,24ff) und dem übrigen biblischen Wort Gottes nicht so genau nimmt (Lk 8,15;  11,28;  1.Thess 2,13), der muss sich die Frage des Herrn gefallen lassen: „Was nennt ihr mich aber: Herr, Herr!, und tut nicht, was ich sage?!“ (Lk 6,46 – vgl. Mt 7,21-23) Die Einstellung zum biblischen Wort Gottes ist ein aufschlussreicher Indikator und entscheidender Faktor: Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht; und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein, sondern des Vaters, der mich gesandt hat.“ (Joh 14,23.24 – vgl. Joh 8,31)

In den Sendschreiben der Offenbarung wird nun eine Gemeinde* beschrieben, in der Jesus nicht (mehr) inmitten der Versammlung steht und als Auferstandener gegenwärtig ist, sondern außen vor gelassen wird. - Ist das die Möglichkeit?! - Der Herr und wahre Eigentümer der Gemeinde, muss wie ein Fremder an die Tür klopfen und ihre Angehörigen um Einlass bitten, damit er mit ihnen Gemeinschaft haben und das Abendmahl feiern kann!

________________________________

* Der Text steht in dem Sendschreiben an die Gemeinde in Laodizea. Die dispensationalistische Sichtweise (= Einteilung der Heilsgeschichte Gottes in unterschiedliche „Haushaltungen“ und Zeitabschnitte) hat die Lehre von den 7 Gemeindezeitaltern hervorgebracht. Dabei werden die sieben Sendschreiben Jesu Christ in der Offenbarung - die konkret an sieben bestehende Gemeinden in Kleinasien (Offb 1,20;  2,1-29;  3,1-22) gerichtet waren - im Sinne einer zeitlichen Abfolge der Kirchengeschichte interpretiert. Die Vertreter dieser Lehre gehen davon aus, dass sich die christliche Heils- und Kirchengeschichte in 7 Zeitabschnitte einteilen ließe, in denen die Kirche bzw. die Gemeinde Jesu verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen habe bzw. durchlaufe – angefangen von der rühmlichen apostolischen Ephesus-Gemeindeepoche bis hin zur verweltlichten und verkommenen Endzeitgemeinde Laodizea.

Ein solches Gemeindezeitalter-Konzept ist jedoch vom Text der Sendschreiben Christi an seine Gemeinde(n) her nicht gedeckt. Auch an keiner anderen Stelle des biblischen Wortes Gottes finden wir explizite Aussagen, die diese Sichtweise unterstützen. Die Ansicht, dass sich in der Heilsgeschichte Gottes verschiedene „Haushaltungen“ und Zeitalter abzeichnen, in denen Gott in spezifischer Weise an den Menschen handelte, ist durchaus vertretbar. Doch bei der spezifischen Gemeinde-Zeitalter-Lehre des Dispensationalismus ist die Grenze des Vertretbaren überschritten. Sie ist ein theologisches Konstrukt und Paradigma, bei dem die inhaltlichen Aussagen der Sendschreiben durch eine tendenziöse Interpretation zurechtgebogen wird, damit sie in den Rahmen der dispensationalistischen Deutung der Kirchengeschichte passen.

Durch die Gemeinde-Zeitalter-Lehre wird der Blick für eine viel näher liegende Deutung der Sendschreiben vernebelt, nämlich dass die 7-fache Gemeinde Jesu (seit damals im 1. Jhdt.) zu allen Zeiten zu finden war und ist, weil den sieben historischen Gemeinden in Kleinasien in qualitativer Hinsicht (nicht in chronologischer!) eine typologische Bedeutung zukommt: So gesehen, ist der universale Leib Christi (1.Kor 12,12-14) vergleichbar mit einer goldenen Menora (= siebenarmiger Leuchter in der Stiftshütte und im Jerusalemer  Tempel – 2.Mo 25,31-39), auf dem sich 7 Leuchten (Öllampen) befinden (vgl. Sach 4,2). Jede einzelne Leuchte (= Gemeinde-Lampe) hat ihre spezifische Prägung und Qualität mit jeweiligen Stärken und Schwächen. Dadurch offenbart sich eine siebenfältige Ausprägung des Leibes Christi in seiner konkreten Manifestation, wie wir sie in einzelnen Denominationen und Ortsgemeinden vorfinden: „Was das Geheimnis der sieben Sterne, die du auf meiner Rechten gesehen hast, und der sieben goldenen Leuchter betrifft (= einzelne Lampen des Leuchters - vgl. Lk 8,16;  Mt 25,1ff;  2.Petr 1,19 – griech. lychnos / lychnia): Die sieben Sterne sind Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter (Öllampen) sind sieben Gemeinden.“ (Offb 1,20).

Die unterschiedliche Beschaffenheit und geistliche Prägung finden wir in den evangelikalen Gemeinden und Freikirchen – z.B. bei den Baptisten, Methodisten, Brüdergemeinden, Pietisten, FeG’lern, Pfingstlern, Charismatikern etc. – Die sakramentalistischen Volkskirchen (Katholiken, Evangelischen, Orthodoxen, Anglikaner etc.) können leider nicht dazugezählt werden, weil die Menschen dort durch den Sakramentalismus (= vermeintliche Heilsübermittlung durch kirchliche Rituale) in der Regel nicht zur schriftgemäßen Bekehrung und zur geistlichen Wiedergeburt und Erlösung geführt werden (Joh 3,5.6-8;  Röm 8,9;  2.Tim 3,5;  Mk 1,14.15;  Apg 2,38;  3,19;  10,47;  19,2). Die Menschen werden dort zwar weitgehend „christlich sozialisiert“, aber sie bleiben unerrettet und geistlich tot. Obwohl auf die Angehörigen dieser Institutionen das Wort an die Gemeinde in Sardes zutrifft – „Ich kenne deine Werke, dass du den Namen hast, dass du lebst (= Christen), und bist (geistlich) tot.“ (Offb 3,1b) -, so heißt das aber noch nicht, dass die Volkskirchen typologisch „Sardes“ sind. Denn dieses Bibelwort müsste man dann auf die Angehörigen aller christlichen Sekten beziehen (z.B. Zeugen Jehovas, Mormonen).

Natürlich gibt es in den Volkskirchen auch ein paar wiedergeboren Christen, die durch einen Akt der Bekehrung und durch persönlichen Glauben an Jesus Christus zum Heil durchgedrungen sind. Doch wie „eine Lerche noch keinen Frühling macht“, so machen ein paar Gläubige inmitten einer Schar toter Kultur- und Kirchen-Christen noch keine „Gemeinde Jesu“. Das ist eine bittere Wahrheit, aber wir dürfen da aus falsch verstandener „Liebe“ keine Toleranz und Akzeptanz üben, die bei Unerretteten den trügerischen Eindruck erweckt, sie seien durch ihre Kirchenzugehörigkeit auf der „sicheren Seite“. Es ist vielmehr ein Zeichen echter agape-Liebe, wenn wir sie darauf aufmerksam machen, dass der kirchliche Sakramentalismus niemals den schriftgemäß-biblischen Weg der Heilsübermittlung ersetzt. 

Das entscheidende Prüfungskriterium, ob eine Gemeinde (oder Gemeinde-Bewegung) eine „Leuchte“ (Lampe) des Christus ist und sich „auf dem Leuchter“ befindet, lautet: Werden die Menschen dort durch das schriftgemäße Evangelium und durch den neutestamentlichen Weg der Heilsübermittlung (durch Umkehr/Bekehrung und persönlichen Glaube) zur Erlösung und zur geistlichen Wiedergeburt geführt? Denn nur jene, die auf dem schriftgemäßen Weg des Heilsempfang den Heiligen Geist empfangen haben (Tit 3,4-7;  Apg 2,38;  10,47;  19,2;  Eph 1,13;  Joh 7,38.39), werden geistlich wiedergeboren und in den lebendigen Leib Christi eingefügt: „Denn wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl viele, ein Leib sind: so auch der Christus. Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden.“ (1.Kor 12,12.13 siehe auch Röm 8,9-17). „… wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.“ (Röm 8,9) Wohlgemerkt: bei der Integration des Einzelnen in den Leib Christi geht es um die „Geistestaufe“ (Lk 3,16;  Apg 1,5;  Tit 3,4-7;  Eph 1,13), nicht um die sakramentalistische Wassertaufe! Letztere wird in den Volkskirchen in der Regel an Unmündigen vollzogen, die keine Glaubens-Bekehrung vollzogen haben. Die Betreffenden werden auch später nicht zu einer echten Bekehrung angehalten (weil sie ja durch die Wassertaufe das „Sakrament der Wiedergeburt“ empfangen haben und ab da als erlöste „Christen“ gelten). Sie werden später lediglich dazu aufgefordert, dem „Glauben der Kirche“ zu folgen und die weiteren Sakramente der Kirche als „Gnadenmittel“ zu konsumieren.

Die Gemeinde Jesu ist keine tote Institution, Organisation oder „Mauerkirche“, sondern ein lebendiger Organismus, bestehend aus lebendigen Gliedern (1.Kor 12,12.13 – vgl. Apg 17,24). „Gemeinde Jesu“ ist nur dort zu finden, wo sich wiedergeborene Christen zusammenfinden (Mt 18,20). Ortsgemeinden sind nur dann „eine Lampe auf dem Leuchter“, wenn sie mehrheitlich aus lebendigen Gläubigen bestehen, die dem Herrn der Gemeinde als Jünger angehören und ihm gemäß der Heiligen Schrift nachfolgen (Joh 8,31.32;  14,23.24). Wer aber ein wahrer Jünger Jesu ist, der hat in einer toten Organisation nichts verloren und nichts zu suchen – auch nicht, um dort vermeintlich „von innen her etwas zu bewirken“ oder um „am Reichtum der Vielfalt der Kirche Christi teilzuhaben“. Wie listig sind doch die Argumente des alten „Menschenmörders“ – siehe Joh 8,44. Wer eine geistliche „Erweckung“ erfahren hat (Eph 2,4-6:  Kol 2,13) ist aufgerufen, sich von allem Totem, Unreinen abzusondern (2.Kor 6,14-18;  7,1;  2.Tim 3,5;  Eph 5,11). Eine ökumenische Solidargemeinschaft mit einer toten Organisation, die die Menschen in die Irre führt und die durch eine falsche Theologie (z.B. durch den Sakramentalismus) das Reich Gottes verschließt (Mt 23,13), führt zur Mitschuld! (Offb 18,4.5;  2.Joh 8-11). Durch eine klare Abgrenzung setzen wir ein unübersehbares Warnsignal. Dadurch tun wir den Irregeführten den besten Gefallen.

 

Ende der Fußnote

Ist das überhaupt vorstellbar?! Eine Gemeinde feiert Gottesdienst, singt dem Herrn zu Ehren Lobpreislieder, predigt über sein Wort und betet zu ihm – und der Herr ist gar nicht bei ihnen anwesend, sondern steht draußen vor der Tür!? - Hat Jesus nicht versprochen: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ (Mt 18,20) Anscheinend geht es bei den Vorbedingungen zur Erfüllung dieser Verheißung um mehr als nur um ein Namens-Etikett, mit dem sich eine Gemeinde ausstattet. Denn nicht überall wo Jesus draufsteht ist Jesus drin! Offensichtlich reicht es nicht aus, wenn eine Gemeinschaft an ihre Versammlungsräume das Schild „Jesus-Gemeinde“ oder „Christus-Kirche“ oder was auch immer für eine christlich lautende Benennung anbringt. Ebenso wenig reicht es aus, wenn am Anfang eines Gottesdienstes die Formel „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ gesprochen wird, mit der Erwartung, dadurch die Gegenwart des Herrn magisch herbeizuzaubern.

 

Was wurde in der Kirchengeschichte nicht schon alles unter dem Anspruch „in nomine patri et filii et spiritus sancti“ verübt und veranstaltet! Was für ein schlechtes Licht hat das auf den Herrn und seinen Namen geworfen: kirchliche Machtpolitik, gewaltsame Missionierung,  Kreuzzüge, Konfessionskriege, Anmaßung des Papsttums, Simonie (Ämter-Verkauf), Inquisition, Hexenverfolgung, Ablasshandel, Einführung von Irrlehren und unbiblischen Praktiken, Konfessionalismus, Dogmenstreit, Prunk der Kirchen, Ausschweifung der Kirchenführer, Missbrauch … Da ist es eigentlich schon beruhigend, zu wissen: Bei all dem hat der Herr nicht mitgemacht; bei all diesen Verirrungen und Gräueltaten war und ist der Herr nicht dabei, sondern stand (bzw. steht weiterhin) außen vor. 

Nach biblischem Maßstab gehören ja nur jene Gemeinschaften zur wahren Gemeinde Jesus, wo Menschen durch den schriftgemäßen Weg der Heilsübermittlung – also durch Bekehrung und persönlichen Glauben (Mk 1,14.15;  Apg 2,38;  3,19;  17,30.31;  26,20) – zur authentischen „geistlichen Wiedergeburt“ geführt werden (Joh 1,12.13. Tit 3,4-7 >>> 1.Kor 12,12.13;  Röm 8,9;  Offb 3,1b;  2.Tim 3,5). Hier scheiden schon mal alle Volkskirchen aus, die einem sakramentalistischen Heilsverständnis anhängen (= die vermeintliche Heilsübermittlung durch kirchliche Rituale [sog. „Sakramente“] – in der Regel durch den Akt der Säuglingstaufe).

Doch auch bei den freien und freikirchlich evangelikalen Gemeinden steht nicht alles zum Besten. Eines sollte uns klar sein: eine vollkommene Gemeinde ganz ohne „Flecken und Runzeln“ (Eph 5,27) werden wir kaum finden. In seinen Sendschreiben muss Jesus bei fünf der sieben Gemeinden etwas bemängeln: „Aber ich habe gegen dich, dass du …“ (Offb 2,4.14.20) Dort muss der Herr aus Liebe „züchtigen und überführen“ (Offb 3,19), damit die Betreffenden Buße tun und umkehren und Verfehlungen bereinigen (vgl. 1.Kor 11,30-32;  2.Kor 7,8-11). Wenn aber eine Gemeinde gravierende Missstände, schwere Sünden oder Irrlehren fortgesetzt toleriert, dann kann es geschehen, dass sich der Herr vorübergehend oder bleibend aus dieser Versammlung zurückziehen muss. Denn er kann durch seine Gegenwart keine verkehrten Verhaltensweisen bestätigen und absegnen, die in seinem Namen veranstaltet werden. Wenn grobe Verfehlungen geschehen, die ihm missfallen, dann fordert er die betreffende Versammlung auf: „tue Buß und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, so komme ich zu dir und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust.“ (Offb 2,5) Wie makaber, wenn sich dort keine heilsame Besinnung und Umkehr abzeichnet, der fromme Betrieb aber einfach „im Namen des Herrn“ fortgesetzt wird …

Doch solches wäre ja nichts Neues. Obwohl sich Gott wegen den schweren Vergehen seines Volkes von Israel abgewandt hatte, proklamierten ihre religiösen Führer, dass der HERR in ihrer Mitte sei: „Hört doch dies, ihr Häupter des Hauses Jakob und ihr Anführer des Hauses Israel, die das Recht verabscheuen und alles Gerade krümmen, die Zion mit Blut bauen und Jerusalem mit Unrecht! Seine [Ober]Häupter richten für Bestechung, seine Priester lehren für Lohn, und seine Propheten wahrsagen für Geld. Und trotzdem stützen sie sich auf den HERRN und sagen: »Ist der HERR etwa nicht in unserer Mitte!? Kein Unglück wird über uns kommen!« - Darum wird euretwegen Zion als Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden.“ (Micha 3,9-12)

Wo im Namen der Liebe, des Friedens und der ökumenischen Einheit die klaren Anweisungen des Wortes Gottes missachtet werden und „Gerades gekrümmt wird“ (Mi 3,9), dort befinden sich die „Christen“ auf der falschen Spur, denn sie haben nicht begriffen, worum es dem Herrn geht. Oberste Priorität im Reich Gottes ist nicht Einheit (um jeden Preis) und auch nicht ein allverbrüdernder Friede (siehe 2.Kor 6,17.18;  7,1;  Mt 10,34;  Hebr 4,12). Das erste und wichtigste Gebot ist weder die Bruderliebe noch die Nächsten- und Feindesliebe, sondern die Liebe zu Gott (Mt 22,36-38). Und die erweist sich im willigen Gehorsam gegenüber seinen Geboten: „Dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten. … Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollendet.“ (1.Joh 5,3;  2,5) Denn Gott definiert durch sein biblisches Wort genau, wie wahrer Frieden, wahre Einheit und wahre Liebe zu Ihm, zu unseren Mitmenschen und zu unseren Glaubensgenossen beschaffen ist. Alles andere ist eine trügerische „andere“ Liebe, ein falscher „anderer“ Friede, eine gottlose „andere“ Einheit und eine „andere“ Gnade – nämlich eine „Billig-Gnade“. Auf diesen Verirrungen ruhen nicht der Segen und das Wohlgefallen des Herrn.

Noch ist Zeit, umzukehren …

… von der toleranten Duldung des Sauerteigs schwerer Sünden, die zum Heilsverlust führen, sofern die Betreffenden darüber nicht Buße tun >>> zu einem geistlichen Streben nach echter „Heiligung“ (1.Kor 5,6-8;  6,9.10;  Gal 5,16-21;  Eph 5,5.6;  Röm 6,1-13;  8,12.13 >>> Hebr 12,14;  2.Kor 7,1;  Offb 22,11;  Jak 4,8)

… von lehrmäßigen Verirrungen und den Sauerteig unbiblischer Lehren auszufegen >>> und sich der „gesunden Lehre“ zuzuwenden und den unverkürzten „ganzen Ratschluss Gottes“ zu verkündigen (Apg 20,28-31;  2.Tim 2,16-18;  4,2-4;  1.Tim 4,1.16;  6,3-5.20.21;  Kol 2,8 >>> Apg 20,20.26.27;  2.Tim 3,16.17;  Mt 16,6;  Tit 1,9)

… von bibelkritischer Gesinnung und Missachtung des Wortes Gottes >>> und sich zuzuwenden zum unfehlbar inspirierten und bewahrten Wort Gottes in seiner Gesamtheit, damit wir den „ganzen Ratschluss Gottes“ erkennen (Lk 24,25;  2.Tim 4,3.4;  Offb 22,18.19;  Joh 14,21 >>> 1.Thess 2,13;  2.Tim 3,14-17;  Joh 8,31.32;  14,21.23;  Mt 7,24-27)

…von einer falschen Vorstellung von Liebe, die von subjektiven Empfindungen definiert wird und zu einer unbiblischen Toleranz führt >>> zu wahrer agape-Liebe „in Tat und Wahrheit“ (1.Joh 3,18), so wie sie von Gott in seinem biblischen Wort definiert wird (1.Kor 13,4-7 – bes. V. 6;  5,1-12;  2.Kor 7,8-11;  Mt 18,15-18;  Lk 17,1-4;  3.Mo 19,17;  Jak 5,19-20;  2.Joh 6-11;  Eph 5,2-13;  2.Kor 6,14-18;  7,1;  1.Thess 5,14;  Spr 27,6)

… von unbiblischen Wegen der Heilsübermittlung wie Sakramentalismus oder Pseudo-Bekehrungen ohne vollständige Lebensübergabe >>> zur heilsamen Besinnung auf den schriftgemäßen Weg der Erlösung und Heilsannahme (2.Tim 3,5;  Gal 1,6-9;  2.Kor 11,3.4;  Lk 11,52;  Mt 23,13 >>> Mk 1,14.15;  Apg 2,38;  3,19;  17,30. 31;  Eph 1,13;  Joh 3,16-18;  7,37-39;  11,25-27;  1.Tim 2,3-6;  Röm 3,22-27;  8,9;  10,6-17;  Mt 16,24)

… vom sakramentalistisch-rituellen Taufverständnis >>> und zurückzukehren zur schriftgemäßen „einen Taufe“ (Eph 4,5) als Zeichen einer wahren Herzens-Bekehrung, die wirklich zur Erlösung und geistlichen Wiedergeburt führt (1.Kor 1,14-17;  Apg 2,38;  8,12.36.37;  Tit 3,4-7;  Mk 16,16;  Joh 3,3.5-8)

… von der ökumenischen Verbündung mit geistlich toten Kirchen-Institutionen und sich aus der Umstrickung pseudochristlicher Initiativen zu lösen (2.Kor 6,14-18;  7,1;  2.Joh 8-11;  Offb 3,1b.2.3;  18,4;  Eph 5,7-11;  2.Mo 23,32;  Jes 52,11;  1.Tim 5,22)

… vom übermäßig gefühlsbetonten Kuschel-Schmuse-Lobpreis (mit schriftwidrigen Textaussagen) >>> und den Herrn der Herren „im Geist und in der Wahrheit“ und in heiliger, ehrfürchtiger Haltung anzubeten (2.Tim 3,5;  Am 5,23;  Joh 4,23.24;  Offb 14,7;  Phil 2,7-11)

… von einer saloppen, lässigen Jesus-Nachfolge >>> zur Praktizierung der wahren Jesus-Jüngerschaft (Mt 7,13.14;  22,37;  5.Mo 6,5;  16,24;  2.Kor 5,11;  Hebr 12,4-17.28;  10,35-39)

… von einem eigenmächtigen, beherrschenden und kontrollierenden Führungsstil der Gemeindeleitung >>> zu einem Leiten und „Vorstehen im Herrn“ gemäß der biblischen Anweisung und in der Verantwortung vor dem Herrn der Gemeinde (2.Kor 11,20;  1.Kor 7,23; Apg 20,28-31 >>> 1.Petr 5,2-4;  1.Thess 5,12;  Hebr 13,17;  Tit 1,7-9;  1.Tim 3,1-13;  Mk 10,42-45;  Lk 12,42-48;  Mt 23,1-12)

Gemeinden, die diese Chance verpassen, befinden sich auf gefährlichem Kurs! Sie drängen den, der die Gemeinde durch sein kostbares Blut für Gott als königliches Priestertum erkauft hat, aus der Mitte an den Rand und schließlich hinaus vor die Tür.

Es reicht nicht, den Herrn einfach nur zu bitten, in die Gemeinde anwesend zu sein und sich zu offenbaren oder ggf. wieder zurückzukehren und einzutreten. Wir müssen ihm auch eine würdige Wohnstätte bieten. Unsere Bitte an den Herrn und Meister, „sei bei uns und offenbare dich wunderbar in unserer Mitte und erfülle uns mit deinem Geist“ (vgl. Joh 20,19.26;  Lk 24,29), muss einhergehen mit der Bereitschaft, einen geistlichen „Hausputz“ zu vollziehen: „Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seid, wie ihr ja bereits ungesäuert seid! Denn auch unser Passahlamm, Christus, ist geschlachtet. Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit [oder dem Sauerteig der Irrlehre – Mt 16,6.12], sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit [= Reinheit und Heiligkeit] und [der guten, gesunden Lehre der biblischen] Wahrheit!“ (1.Kor 11,7.8) Wir müssen bereit sein, den erforderlichen Preis für die Gegenwart Gottes in unseren Zusammenkünften zu zahlen:

„Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes unter (o. in) euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.“ (1.Kor 3,16.17)

„Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab!, spricht der Herr. Und rührt Unreines nicht an! Und ich werde euch annehmen und werde euch Vater sein, und ihr werdet mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige. Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so wollen wir uns reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes und die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes.“ (1.Kor 6,17.18;  7,1)

Nein, eine Gemeinde muss nicht vollkommen sein, damit sich der Herr dort aufhalten kann. Das sehen wir an den sieben Sendschreiben der Gemeinde. Doch jede Gemeinde soll sich in einen fortschreitenden Prozess der Heiligung mit hineinnehmen lassen. Wenn sie darin stagniert oder sich gar in einer rückläufigen Bewegung befindet, denn gibt es Grund zu ernsthafter Sorge.

Da sich jede Ortsgemeinde - und auch jede „Hausgemeinde“ - aus einzelnen Gliedern zusammensetzt, ist auch jeder Einzelne gefragt: Gibt es irgendwelche gravierenden Dinge in meinem Leben, die dem Herrn missfallen und die ich ausräumen und ablegen soll? Habe ich bei den Zusammenkünften im Gottesdienst bzw. im Hauskreistreffen oder bei den einzelnen Begegnungen mit Glaubensgeschwistern eine rechte Herzenshaltung? Ist mein Augenmerk dabei auf Jesus gerichtet (Hebr 12,2) oder auf meine eigene Person? Ist es mir wichtig, dass der Herr und sein Wort verherrlicht werden, oder bin ich damit beschäftigt, wie ich auf andere wirke? Geht es mir darum, dem Herrn Geltung zu verschaffen oder doch insgeheim darum, selbst Beachtung zu finden und gut dazustehen, damit alle sehen, wie geistlich und „gesalbt“ (vollmächtig) ich bin – oder auch wie demütig, selbstlos, liebevoll, tolerant und hilfsbereit ich erscheine (Joh 5,43.44;  7,18;  Mk 9,35;  10,43.44;  Röm 2,11;  Mt 23,5-7;  1.Joh 2,16;  Spr 8,13;  16,19). Das „fromme Fleisch“ stinkt genauso abstoßend wie das „sündige Fleisch“!

Wir dürfen uns durchaus freuen, wenn der Herr uns wunderbar gebraucht in der Wortverkündigung, im Gebet, in der Weissagung, in der Evangelisation, in diakonischen Hilfeleistungen, im Kinderdienst, in der Ausübung der Geistesgaben oder in der Seelsorge. Aber das darf uns nicht zu fleischlichem Stolz und geistlichem Hochmut verführen (1.Kor 4,7;  15,10). Grundsätzlich ist nichts Falsches dran, geehrt zu werden oder jemanden zu ehren (1.Tim 5,3.17;  6,1;  1.Petr 2,17;  3,7;  Eph 6,2;  Röm 13,7). Doch suchen sollen wir die Ehre nicht bei Menschen, sondern bei Gott (Joh 5,44;  1.Thess 2,6;  Gal 5,26;  1.Kor 12,23;  Apg 12,23). Wir sollen uns mit Demut umkleiden und IHM die Ehre geben (Röm 4,20;  Offb 4,11;  5,13;  14,7;  Lk 17,18;  5.Mo 32,3;  Ps 96,7;  Mal 1,6;  Jer 13,16;  Jes 42,8;  48,11). Dadurch verschaffen wir Gott die Gelegenheit, uns zu Ehren zu bringen (Röm 2,10;  2.Tim 2,21;  1.Sam 2,7;  Spr 3,16;  22,4;  29,23;  1.Chr 29,12;  2.Kor 10,18). Doch wer seine eigene Ehre sucht, den muss Gott beschämen. Jesus gibt seinen Jüngern den Rat, bei einem Fest erstmal die letzten und niederen Plätze einzunehmen. Dann kann es sein, dass der Hausherr kommt und uns auffordert: „»Freund, rücke höher hinauf!« - Dann wirst du Ehre haben vor allen, die mit dir zu Tisch liegen.“ (Lk 14,10) Doch wenn wir gleich die ehrenvollen Plätze einnehmen, dann kann es geschehen, dass wir vor den anderen Gästen beschämt werden, wenn ein geehrterer Gast erscheint und der Hausherr uns sagen muss: „»Mach diesem Platz!« - Und dann wirst du anfangen, mit Schande den letzten Platz einzunehmen.“ (V. 9) Und der Hausherr und Gastgeber in der Gemeinde ist immer noch Jesus Christus. Ob er uns beschämen muss oder uns ehren kann, dass hängt in hohem Maße von unserer Einstellung und von unserem Verhalten ab: „Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk 14,11)

Wohl der Gemeinde, die sich dessen stets bewusst ist, wer ihr Hausherr und Gastgeber ist. Denn wenn eine Gemeinde das Hausrecht Jesu Christi nicht in genügender Weise respektiert, dann kann es geschehen, dass sie ihr Mandat als „Haus des Herrn“ (kyriake oikia = „Kirche“) und „Gemeinde Jesu Christi“ verliert – und dass Jesus dort einfach „auszieht“ - und mit ihm auch die shechina-Herrlichkeit Gottes schwindet, sodass über dem Haus schließlich das „Ikabod!“ ausgerufen ist - d.h. (hebr.) Nicht-Herrlichkeit (siehe 2.Mo 40,34.35;  1.Kö 8,10. 11;  2.Chr 7,1-3 >>> 1.Sam 4,21). - Dann ist die Gemeinde wirklich „kaputt“. Dann findet dort nur noch ein „religiöser Betrieb“ statt. Es ist fast schon eine Gesetzmäßigkeit: Je größer die äußere Pracht einer Kirche/Gemeinde, desto weniger geistliche Herrlichkeit im Inneren – d.h. in der dortigen Versammlung. (Natürlich gibt es auch schlichte Versammlungsstätten und Gemeinden ohne Herrlichkeit.)

Es ist ja nicht so, dass Jesus bei manchen Gemeinden draußen steht, weil er die Tür nicht aufbekommt. Für Jesus gibt es keine verschlossenen Türen und Pforten, die er nicht öffnen könnte. Sollte der, der sogar die Schlüssel des Todes und des Totenreiches empfangen hat (Offb 1,18) und der den Schlüssel Davids hat - „der öffnet, und niemand wird schließen, und schließt, und niemand wird öffnen“ (Offb 3,7) -, sollte der nicht in der Lage sein, eine verschlossene Tür zu öffnen, selbst wenn diese mit dem allerbesten Sicherheitsschloss ausgerüstet wäre?! Jesus hat den Generalschlüssel, der ihm jede Tür der Himmelswelt, der Welt und der Unterwelt zu öffnen vermag. Als sich seine Jünger in den Tagen nach seiner Kreuzigung aus Angst eingeschlossen hatten, da trat der Auferstandene einfach durch die verriegelte Tür ein und offenbarte sich in ihrer Mitte: „Als es nun Abend war an jenem Tag, dem ersten der Woche, und die Türen, wo die Jünger waren, aus Furcht vor den Juden verschlossen waren, kam Jesus und trat in die Mitte und spricht zu ihnen: Friede euch!“ (Joh 20,19)

So er das will, kann der Herr jederzeit unaufgefordert eintreten. Wenn Jesus bei manchen Gemeinden draußen vor der Tür wartet, dann gibt es dafür zwei Gründe. Zum einen möchte er die Herzen prüften, ob diese ihn wirklich von ganzem Herzen aufnehmen wollen und ihn herein bitten (vgl. Joh 8,40;  Lk 24,29), oder besser noch: ihn herein-beten  (Apg 4,31;  Eph 6,18; Jud 20). Wenn eine Gemeinde möchte, dass bei ihnen die Herrlichkeit Gottes und die Fülle Christi erscheint, dann darf sie die Gestaltung des Gemeindebetriebs nicht mit einer saloppen und lässigen Haltung angehen, sondern muss sich dafür schmücken (Jes 61,10 – vgl. 1.Petr 3,3.4) und „heiligen“ (vgl. 2.Kor 6,17.18;  7,1;  Hebr 12,14;  Kol 3,16.17;  Eph 5,16-19). - Zum aber anderen gibt der Herr den betreffenden Gemeinden durch sein Zuwarten noch einmal die Gelegenheit, verkehrte Dinge in Ordnung zu bringen und den Sauerteig der Sünde, der Irrlehre und anderer Hindernisse (siehe oben) auszufegen (1.Kor 5,6-8). Denn wenn er die Gemeinde betritt und dort Dinge findet, die er „hasst“ (vgl. Offb 2,6), dann muss er dort – wie bei der Tempelreinigung in Jerusalem (Joh 2,14-17;  Mk 11,15-17) – auf- und abräumen. Wenn eine Gemeinde durch ein falsches Gnadenverständnis und durch den populärtheologischen Betrug einer falschen Liebe und eines falschen Friedens und einer falschen Einheit zu einer „Räuberhöhle“ geworden ist, dann muss er aus Liebe(!) eine Säuberungsaktion durchführen, indem er „überführt und züchtigt“. Und genau in diesem Kontext steht ja die Aussage Jesu, dass er vor der Gemeindetür steht: „Ich überführe und züchtige alle, die ich liebe. Sei nun eifrig und tu Buße! Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört …“ (Offb 3,19.20) Jesus gibt den Betreffenden Zeit, Buße zu tun und Dinge in Ordnung zu bringen. Wenn aber eine Gemeinde – insbesondere deren hauptverantwortliche Leiterschaft – nicht dazu bereit ist oder nicht den Mut aufbringt, Missstände zu beheben, dann hat das entsprechende Konsequenzen:

„Denke nun daran, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, so komme ich zu dir und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust.“ (Offb 2,5)

„Tu nun Buße! Wenn aber nicht, so komme ich zu dir bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem Schwert meines Mundes. … und alle Gemeinden werden erkennen, dass ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht; und ich werde euch einem jeden nach euren Werken geben.“ (Offb 2,16.23)

„Denn ich habe vor meinem Gott deine Werke nicht als völlig befunden. Denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und bewahre es und tue Buße! Wenn du nun nicht wachst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.“ (Offb 3,2.3)

Nein, wir dürfen Verirrungen und Schieflagen in der Gemeinde nicht mit einer lässigen Haltung angehen. Denn die Gemeinde Jesu ist heiliger Boden, den niemand ungestraft entweiht: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes unter (o. in) euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.“ (1.Kor 3,16.17)

„Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange beim Haus Gottes“ (1.Petr 4,17).

Die Worte, die der Heilige Geist dem Apostel Paulus in den Mund legte, entsprechen ganz der Haltung, die auch Jesus Christus gegenüber seiner Gemeinde einnimmt: „Einige aber sind aufgeblasen, als ob ich nicht zu euch kommen würde. Ich werde aber bald zu euch kommen, wenn der Herr will, und werde nicht das Wort, sondern die Kraft der Aufgeblasenen kennen lernen. Denn das Reich Gottes besteht nicht im Wort, sondern in Kraft. Was wollt ihr? Soll ich mit der Rute zu euch kommen oder in Liebe und im Geist der Sanftmut?“ (1.Kor 4,18-21)

Zu jeder Erziehung, die von echter Liebe und aufrichtigem Interesse geprägt ist, gehören Lob und Tadel, Belohnung und Bestrafung (siehe Hebr 12,4-11). Auch eine liebende(!) Züchtigung des Herrn „muss denen, die Gott lieben, zum Guten mitwirken“ (Röm 8,28). Denn dadurch werden neue Kräfte und neuer Eifer mobilisiert, wenn durch diese Disziplinierungsmaßnahme eine „Betrübnis nach der Weise Gottes“ hervorgerufen wird. Auch im folgenden Text spricht der Apostel Paulus inspirierte Worte aus, die ganz im Sinne Christi sind (und daher als gutes Nachwort auf die Sendschreiben der Offenbarung passen):

„Denn wenn ich euch auch durch den Brief betrübt habe, so reut es mich nicht. Wenn es mich auch gereut hat, so sehe ich, dass jener Brief, wenn er euch auch kurze Zeit betrübt hat, doch Segen gewirkt hat; und jetzt freue ich mich, nicht dass ihr betrübt worden, sondern dass ihr zur Buße [= Umkehr] betrübt worden seid; denn ihr seid nach Gottes Sinn betrübt worden, damit ihr in keiner Weise von uns Schaden erlittet. Denn die Betrübnis nach Gottes Sinn bewirkt eine nie zu bereuende Buße [= Umkehr] zum Heil; die Betrübnis der Welt aber bewirkt den Tod. Denn siehe, ebendies, dass ihr nach Gottes Sinn betrübt worden seid, wie viel Bemühen hat es bei euch bewirkt! Sogar Verteidigung, sogar Unwillen, sogar Furcht, sogar Sehnsucht, sogar Eifer, sogar Bestrafung [der Übeltäter in der Gemeinde]!“ (2.Kor 7,8-11)

Wie die Züchtigung des Herrn aussehen kann, das wird uns im 1. Korinther-Brief gezeigt. In der Gemeinde dort herrschten schlimme Zustände: die Gemeindemitglieder waren „fleischlich gesinnt“, was zur Parteiung führte (1.Kor 3,1-9); außerdem duldeten sie aus falsch verstandener „Liebe“ schwere Sünde in ihrer Mitte und waren darauf auch noch stolz (1.Kor 5,1.2); viele von ihnen liefen falschen „Super-Aposteln“ hinterher, die als „Schafe im Wolfspelz“ (siehe Mt 7,15ff) ein „anderes Evangelium“, einen „anderen Jesus“ und einen „anderen Geist“ einzuführen suchten (2.Kor 11,1-15); dem Ganzen setzten die korinthischen Christen die Krone auf, indem sie das heilige Abendmahl in unwürdiger Art und Weise feierten (1.Kor 11,17-29). Trotzdem betrachtete Jesus Christus diese Gemeinde noch als seine Gemeinde. Und gerade deshalb waren die Folgen dieser Verirrungen Gottes Gericht und Züchtigung. Bezogen auf die unwürdige Haltung beim Abendmahl schrieb Paulus: „Der Mensch aber prüfe sich selbst, und so esse er von dem Brot und trinke von dem Kelch. Denn wer isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, wenn er den Leib des Herrn nicht richtig beurteilt. - Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein gut Teil [der Gemeindeangehörigen] sind entschlafen. Wenn wir uns aber selbst beurteilten (o. richteten), so würden wir nicht [von Herrn] gerichtet. Wenn wir aber vom Herrn gerichtet werden, so werden wir gezüchtigt, damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden. (1.Kor 11,28-31)

Daraus wird deutlich: Gericht und Züchtigung an einer Gemeinde dient dem Zweck der Zurechtbringung. Denn die Gläubigen dort sollen nicht zusammen mit der Welt verurteilt werden und verloren gehen, sondern zum ewigen Leben bewahrt bleiben.

Und noch etwas sehen wir an dem Ganzen: die populär-theologische Darstellung von Gottes „bedingungsloser“ Liebe, Gnade und Annahme ist eine gefährliche Irreführung, die nicht dem biblischen Wort Gottes und dem schriftgemäßen Gesamtbild der Lehre entspricht. Wer das ewige Ziel des Glaubens erreichen will, der hüte sich vor diesem verderblichen Sauerteig und kehre zur „gesunden Lehre“ und zum vollständigen Wort Gottes zurück! Dort wird uns gezeigt, dass die Echtheit der Liebe Gottes sich nicht allein in Segnungen und Wohltaten erweist, sondern gerade auch in seinen schmerzhaften disziplinarischen Maßnahmen: „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er schlägt aber jeden Sohn, den er aufnimmt. Was ihr erduldet, ist zur Züchtigung: Gott behandelt euch als Söhne. Denn ist der ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, deren alle teilhaftig geworden sind, so seid ihr Bastarde und nicht Söhne. … Alle Züchtigung scheint uns zwar für die Gegenwart nicht Freude, sondern Traurigkeit (o. Betrübnis) zu sein; nachher aber gibt sie denen, die durch sie geübt sind, die friedvolle Frucht der Gerechtigkeit.“ (Hebr 12,6-8.11)

Und die Echtheit unserer Liebe zur Gemeinde Jesu und zu den Glaubensgenossen erweist sich ebenfalls nicht allein in angenehmen, gefälligen Verhaltensweisen, sondern gerade auch darin, dass wir Verantwortung übernehmen und bei Missständen, unheilvollen Entwicklungen und falschen Lehren aufstehen und Einspruch erheben (Mt 18,15ff;  Lk 17,3.4;  1.Kor 5,8-13;  Jak 5,19.20;  Gal 6,1;  2.Tim 2,24-26). „Treu gemeint sind die Schläge dessen, der liebt, aber überreichlich die Küsse des Hassers.“ (Spr 27,6) Der „Geist der Wahrheit“ verhelfe uns da zu einer neuen geistlichen Sichtweise, die der inspirierten, biblischen Offenbarung entspricht.

Steht Jesus draußen vor der Tür?

Zur weiteren Illustration eine kleine Geschichte, die zwar fiktiv ist, die sich aber durchaus ereignet haben könnte, und die sich möglicherweise immer wiedermal in ähnlicher Weise in den Gemeinden aufs Neue ereignet:

 

Sonntagmorgen. Gottesdienstbesucher strömen durch die weit geöffnete Eingangstür. Freundlich begrüßt ein Türsteher im Foyer die Gemeindemitglieder und Gäste. Aus dem Inneren sind schon instrumentale Lobpreismelodien zu hören. Auch Markus T. steigt die Stufen empor und tritt ein. Da stellt sich ihm der Türsteher in den Weg: „Tut mir leid Markus. Ich habe die Anweisung, dich nicht einzulassen.“ „Aber ich möchte doch nur den Gottesdienst …“ Aus dem Hintergrund taucht ein weiterer Ordner auf und drängt Markus unnachgiebig mit sanfter Gewalt nach draußen. Dabei kommentiert er: „Du bist informiert worden. Der Pastor und die Ältesten haben beschlossen dich erst wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen, wenn du deine Haltung in besagter Angelegenheit geändert hast.“ 

Zwei Monate zuvor hatte Markus die Gemeindeleitung auf diverse Missstände hingewiesen und seine Bedenken mit guten biblischen Argumenten begründet. Doch der Pastor und die Ältesten der Gemeinde hatten dafür kein offenes Ohr. Ja, sie unterstellten Markus sogar „geistlichen Hochmut“, „Anmaßung“ und eine „lieblose Haltung“. In einer Aussprache machten sie deutlich, dass die Probleme, die Markus ansprach, aufgebauscht bzw. nur in dessen Einbildung vorhanden seien. Durch die Einnahme einer falschen Perspektive werde aber deutlich, dass das eigentliche Problem er selbst sei. Überdies könne man die von ihm angeführten Aussagen der Bibel nicht einfach wortwörtlich auf die heutige Zeit übertragen. Außerdem sei ja bei allem Liebe und Frieden das Entscheidende, nicht theologische Erkenntnis. Solange er seine Perspektive nicht ändere, stelle er für die Gemeinschaft eine ernste Gefahr dar. Wenige Tage später hatte ihn eine Email erreicht, in der er aufgefordert wurde, der Gemeinde bis auf weiteres fern zu bleiben, andernfalls müsse er mit einer Klage wegen Hausfriedensbruch rechnen. Mehrere Wochen war es ihm gelungen, sich an die Anweisung zu halten. Doch heute hatte es ihn unwiderstehlich zu den Geschwistern in die Gemeinde gezogen. Es konnte doch kein Verbrechen sein, sich einfach nur hinten in Gottesdienst zu setzen. Mit seinen 32 Jahren war er immer noch Single. Und heute Morgen hatte er die Gemeinschaft der Glaubensgeschwister besonders vermisst. Darum dachte er …

Frustriert wich Markus zurück und ließ sich innerlich völlig aufgewühlt und verstört auf den Stufen vor dem Eingang nieder. Wenig später hörte er, wie die Gemeindetür hinter ihm geschossen wurde, und er spürte, wie ihm jetzt auch noch Tränen über die Wangen liefen. In sich zusammengesunken saß er so da, als er neben sich eine Stimme hörte: „Warum weinst du!?“ – Im Schatten der Thujahecke stand eine Gestalt, deren Anwesenheit er gar nicht bemerkt hatte. Gequält seufzte Markus: „Sie lassen mich nicht rein!“ - Die Person erklärte: „Da geht es dir ganz so wie mir.“ – Erstaunt und neugierig wandte Markus sich um: „Wer bist du?!“ – Darauf die Antwort: „Ich bin der, den sie dort drin in ihren Lieder erheben: Jesus Christus.“ Ein Ausdruck der Fassungslosigkeit breitete sich über das Gesicht von Markus. Jesus legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. Ein warmer Strom des Friedens ergoss sich in seine wunde Seele und spülte allen Schmerz und alle Bitterkeit fort. Dann wurde er vom Herrn aufgefordert: „Komm, lass uns gehen. Sie warten bereits auf uns. - In der Wilhelmgasse gibt es einen kleinen Kreis Gläubiger, der fastet und betet für Erweckung und Gemeindewachstum. Und sie sind auch bereit, den Preis dafür zu zahlen.“ – Und während sie sich auf den Weg machten, erklang durch die geschlossene Gemeindetür gedämpft das Lobpreis-Lied „Jesus, du bist König in uns’rer Mitte. Du regierst durch deinen Geist …“.

 

*            *            *

 

Das vollständige Dokument „Jesus steht draußen vor der Tür“ im pdf-Format (1,8 MB) hier kostenlos downloaden: 

Download
)Jesus steht vor der Tür - J. Hübel +.pd
Adobe Acrobat Dokument 1.8 MB