Corona-Zeit = Wende-Zeit

Joachim Hübel – Nov. 2020

Das Dokument „Corona-Zeit = Wende-Zeit“ (24 Seiten) kann ganz unten am Ende des Textes kostenlos im pdf-Format (2,15 MB) heruntergeladen werden.

Nach Beendigung des ersten großen Lockdowns hatten wir uns gerade an die wiedergewonnene, relative Freiheit gewöhnt - und nun ein fataler Rückfall! Doch Politiker und Wissenschaftler hatten vor Leichtsinn gewarnt – und vor weiteren Corona-Wellen. Jetzt ist es soweit. Die zweite Corona-Welle ist da – und der zweite Lockdown (mit Verlängerung). Außerdem sorgt die Mutierung des Virus für neue Aufregung.

Können wir jetzt besser damit umgehen, weil wir alles nun schon kennen? Oder herrscht ein großer Massen-Frust? - und eine neu entfachte Spaltung der Meinungen, wie ernst das alles zu nehmen ist? - Die Bereitschaft zur Akzeptanz der auferlegten Beschränkungen ist bei vielen auf den 0-Punkt gesunken, zumal der neue Lockdown in die kalte, dunkle Jahreszeit fällt. Viele setzen ihre Hoffnung auf den Einsatz von Impfstoff. Doch wird uns der die Lösung des Problems bescheren? – und das Ende der Corona-Krise? Oder befinden wir uns in einer Endlosnummer? Viele sind sich darüber einig: Die Corona-Zeit wird als Wendezeit in die Geschichte eingehen – als Wende-Zeit für die gesamte Menschheit – als Wende-Zeit für den Einzelnen – und als Wende-Zeit für die Gemeinde Jesu. Werden wir außer Händewaschen noch andere Lektionen gelernt haben? Zum Beispiel, wie wertvoll unmittelbare Gemeinschaft für uns ist – in der Familie, Partnerschaft, Freundschaft, Teamarbeit und Gemeinde? Der digitale Austausch per Internet ist nur ein dürftiger Ersatz für die echte Gemeinschaft.

Corona fordert uns alle massiv heraus. Corona zeigt, wo wir stehen und was wir (wirklich) wollen. Und je länger das alles geht, desto mehr. Corona zwingt zur Veränderung – nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch im spirituellen Leben – bei jedem Einzelnen – und bei der Gemeinde Jesu. Da stellt sich die Frage: Ist die Zeit der Massenveranstaltungen im herkömmlichen Stil - in Sportstadien, in Festhallen, auf Rummelplätzen, in Großkirchen (Mega-Churches) und Großgemeinden – auf lange Sicht vorbei? Pfeift Gott seine Gemeinde durch die Umstände zurück zur „Hauskirche“ (Homechurch), so wie sie am Anfang war? Jesus Christus hat verheißen: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ (Mt 18,20) – Denn nur im kleinen Kreis kann echte Gemeinschaft gelebt werden. Als sich eine große Volksmenge von mehreren Tausend Personen um Jesus versammelte, da teilte er diese bei der Speisung in kleinere Tischgemeinschaften auf: „Denn es waren etwa fünftausend Männer. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich in Gruppen zu je fünfzig lagern!“ (Lk 9,14) Wir dürfen davon ausgehen, dass genau dort beim Essen ein reger Gesprächsaustausch über die Worte Jesu stattfand.

Der wahre Sinn von Gemeinde bzw. Kirche ist ja die authentische Gemeinschaft (koinonia) der Gläubigen (Apg 2,42) und das allgemeine gegenseitige geistliche Dienen (Gal 5,13;  1.Petr 4,10). Das ist vielfach verloren gegangen. Es wurde in der Kirchengeschichte von der „Messe“ bzw. vom liturgisch-rituellen „Gottesdienst“ verdrängt – heute finden wir das oftmals auch in den evangelikalen Freikirchen.   

Die „Geistesgaben“, mit denen Gläubige sich heute in Kirchen/Gemeinden (überwiegend) dienen, sind vor allem folgende: Moderationsdienst (der darüber wacht, dass die Liturgie eingehalten wird, und dass kein unbefugter ans Mikro/Rednerpult gelangt und Dinge sagt, die nicht ins Programm oder ins konfessionelle Gepräge passen, und dass der jeweilige Prediger zeitlich nicht überzieht), Musikdienst, Begrüßungsdienst, Technikdienst, Ordnerdienst, Schließdienst, Finanzbuchhaltungsdienst, Organisations- und Koordinationsdienst, Küchendienst, Putzdienst, Renovierungsdienst etc.. - So wichtig die Erfüllung der genannten diakonischen Aufgaben auch sein mag, doch davon ist in den neutestamentlichen Auflistungen der Charismen (Geistes- u. Gnadengaben) eigentlich nicht primär die Rede – siehe 1.Kor 12,1.4-11;  Röm 12,4-8;  Eph 4,11). Dort ist vor allem von gegenseitiger geistlicher Erbauung die Rede (1.Kor 14,12.26;  Röm 14,19;  15,14;  Kol 3,16.17).

Um möglichst viele Menschen für den Glauben zu gewinnen oder sie als feste Gemeindemitglieder zu binden, wird ein großer Aufwand betrieben, der darauf abzielt, dass die Gemeinde/Kirche einen ansprechenden Rahmen erhält. Doch darüber hat man das Wesentliche, die Inhalte, sträflich vernachlässigt, nämlich die schriftgemäße Jüngerschaft (inklusiv Heiligung), die authentische geistliche(!) Gemeinschaft (koinonia), den Gebrauch der Geistesgaben (charismata) und die vollwertig-biblische Verkündigung/Lehre (kerygma/didache). Das hat dazu geführt, dass die „Gläubigen“ oftmals gar nicht mehr zur schriftgemäßen Bekehrung (Umkehr/Lebensübergabe an Christus) und zur geistlichen Wiedergeburt angeleitet werden (Joh 3,3.5-8;  Apg 3,19;  17,30.31;  Mk 1,14.15).

Heute sind viele der so genannten „Christen“ zwar irgendwie „gläubig“, aber immer noch unerrettet und geistlich tot (siehe Offb 3,1b;  2.Tim 3,5). Andere, die zwar einmal einen guten Anfang gemacht haben, sind aufgrund geistlicher Unterernährung „lau“ und kraftlos geworden (Offb 3,16;  Hebr 12,12-14). Die Hauptverantwortlichen für diese Misere sind die geistlichen Leiter. Und genau die religiösen Führer und „Theologen“ waren es, die Jesus Christus in besonders scharfer Weise rügte: „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel (= der Person – und der Gemeinde/Kirche!), inwendig aber sind sie voller Raub und Unenthaltsamkeit. … Denn ihr gleicht übertünchten Gräbern, die von außen zwar schön scheinen, inwendig aber voll von Totengebeinen und aller Unreinheit sind. … Denn ihr verschließt das Reich der Himmel vor den Menschen; denn ihr geht nicht hinein, und die, die hineingehen wollen, lasst ihr auch nicht hineingehen. … Denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen … Sie sind blinde Leiter der Blinden.“ (Mt 23,25.27.13;  15,14;  Lk 11,52)

Nicht nur die etablierten Volkskirchen haben sich im Laufe der Kirchengeschichte weit von der neutestamentlichen Bauanleitung für „Gemeinde“ entfernt. Seit geraumer Zeit durchlaufen auch die Freikirchen einen Institutionalisierungsprozess. Das Resultat davon sind Gemeinden, die vielerorts nur noch ein trauriges Zerrbild dessen sind, was uns durch die biblische Lehre und die neutestamentlichen Vorbilder als wahre „Gemeinde“ (ecclesia) vor Augen gestellt wird. Die Gottesdienste sind vielfach zum religiösen Unterhaltungsprogramm mutiert mit eingeschliffener „Liturgia“ (Gottesdienstordnung). Doch die Gläubigen werden durch diese Veranstaltungen nicht wirklich in geistlicher Weise erbaut und zur notwendigen Reife und Mündigkeit geführt. In den Predigten wird ihnen oftmals nur noch der dünne Aufguss einer Populärtheologie verabreicht. Dieser reicht aber nicht aus, eine schriftgemäße Gottes- und Heilserkenntnis zu vermitteln und lebendigen, krisenfesten Glauben aufzubauen, der sich in Zeiten wie diesen bewährt, und der sie fit macht für den mehr und mehr einsetzenden Gegenwind.

Die Corona-Krise ist ein Indikator (Anzeiger), der deutlich macht, wo die Gemeinden und wo die Einzelnen geistlich stehen. Statt umzukehren von eingefahrenen, falschen Wegen und sich auf das Wesentliche zu besinnen, versuchen manche jetzt einfach irgendwie weiterzumachen. Die Verantwortlichen erkennen nicht, dass Jesus Christus einen „neuen Tag“ für seine Gemeinde gemacht hat. Er will sein Volk vor(!) seiner Wiederkehr zurückführen zu seiner Vorstellung von Gemeinde. Und diese lautet: lebendige authentische Gemeinschaften und „Haus-Kirchen“, in denen die Gläubigen einander in den empfangenen Geistesgaben dienen. Dort sollen die Einzelnen geistliche trainiert werden für ein standfestes Leben in den Stürmen dieser Welt. Außerdem sollen sie dort für Seine Wiederkunft „entrückungstauglich“ gemacht werden. Wohl denen, die jetzt ein „offenes Ohr haben, zu hören, was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,7.11.17.29).

 

Zu dieser Thematik findest du als Gastbeitrag für unseren Ex-Bi-Le den inspirierenden Artikel von L. Smith „Die Haus-Kirchen-Bewegung“: https://www.exegesa-bibel-lehrdienst.de/haus-kirchen-bewegung/


 

Anhang – ein Email-Briefwechsel zu diesem Thema:

 

Email am 7.11.2020 von einem Besucher/User der Exegesa-Homepage:

Lieber Joachim, lieber Bruder,

ich habe eben deine Texte gelesen [die auf der Exegesa-Homepage zum Thema Hausgemeinde zu finden sind – Anm. d. Verf.]. Manches wusste ich schon. Aber es ist erfrischend es auch mal von anderen zu hören, die in etwa die gleiche Erkenntnis über diese Dinge haben.

Mir fiel auf, dass Du viel auf Hausgemeinde hinweist, was auch gut und richtig ist. Aber an anderen Stellen schreibst Du dann auf einmal von Hauskreisen.

Hausgemeinden wie wir sie im NT finden sind autarke Gemeinschaften die nicht einer „Tempelgemeinde“ [= Ortsgemeinde, die einem institutionalisierten Dachverband unterstellt ist] unterliegen und von dort gesteuert und gelenkt werden. Für Außenstehende ist Hauskreis (HK) und Hausgemeinde (HG) ein und dasselbe. Nur habe ich bisher bei allen Kontakten mit HG’s bemerkt, das hier ein ganz großer Wert drauf gelegt wird, eben kein Hauskreis zu sein, sondern eine Hausgemeinde mit allen entsprechenden Konsequenzen.

Sie nehmen Abendmahl, beten für die Kranken, betreiben Seelsorge und sie taufen. Idealer Weise haben sie in ihren Versammlungen das Hauptaugenmerk auf 1.Kor. 14,26 gerichtet - „Was ist nun, Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat jeder einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Offenbarung, hat eine Sprachenrede, hat eine Auslegung; alles geschehe zur Erbauung.“ - was aber zumindest angestrebt werden sollte. Weil nach Watchman Nee nur so geistliches Wachstum möglich ist. Kennst Du das Buch von ihm „Das normale Gemeinde Leben“? Da drin steht es wunderbar aufgeschlüsselt was Gemeinde nach dem NT ist.

Ich dachte beim Lesen an unseren Bruder XXX, der mit seiner Frau seit Jahren eine HG betreibt (um die 10 Leute). Wenn ich dem deinen Exegesa-Link schicke, dann wird er mir postwendend genau das schreiben, dass da statt Hausgemeinde auf einmal was von Hauskreis steht. Da reagiert der ganz empfindlich drauf. Er war mal Mit-Leiter in einer XXX-Gemeinde und trat dann aus wegen all dem was Du oben geschrieben hast.

Ich hänge an diese Email mal ein kleines Blatt [mit einem pdf-Dokument] an, wo die Unterschiede aufgezählt sind.

Du könntest [in deinen Schriften] überall wo Hauskreis steht, Hausgemeinde hinschreiben und der Text geht so durch.

Es kann aber sein, dass Du das mit Absicht so gemacht hast. Dann wäre es schön wenn Du mir den Sinn dazu erklären könntest.

Liebe Grüße R.


Meine Email-Antwort vom 12.11.2020 und vom 06.12.2020

Hallo lieber Bruder R.,

Ja, das hast du ganz richtig bemerkt, dass ich manchmal zwischen der Bezeichnung Hauskreis und Hausgemeinde wechsle. Der Grund dafür liegt darin, dass ich das Dokument „Warum Gemeinschaft und Gemeinde?“ verfasst habe, als ich noch zu einer Freikirche gehört. Inzwischen bin ich dort zusammen mit meiner Frau ausgetreten (ein Neuanschluss an eine andere Freikirche kommt für uns aus besagten Gründen nicht mehr in Frage – siehe dazu unten die 4 Punkte). Seither habe ich neue Schriften zum Thema Gemeinde/Gemeinschaft verfasst, in denen ich bevorzugt den Begriff Hausgemeinde (Homechurch) gebrauche.

Was die Bezeichnungen anbelangt, da bin ich kein „Hardliner“, für den es ein Frevel ist, auch mal von „Hauskreis“ zu sprechen, wenn sich Gläubige in einem Haus versammeln, um geistliche Gemeinschaft (koinonia) zu haben. Meine Überzeugung ist, dass sich weder der Herr Jesus Christus noch Gott-Vater von Bezeichnungen und Etiketten beeindrucken lassen. Die Gegenüberstellung, die du mir beigefügt hast, ist interessant. Doch da werden in tendenziöser Einseitigkeit die guten, biblischen Attribute (Eigenschaften) der wahren Gemeinde Jesu auf die Bezeichnung „Hausgemeinde“ übertragen, während die negativen Attribute dem Etikett „Hauskreis“ zugeschoben werden. Das erscheint mir ein wenig mutwillig und konstruiert. In der Praxis entspricht diese simple Zuordnung oftmals nicht der Realität.

Nur weil sich ein Kreis Gläubiger die Bezeichnung „Hausgemeinde“ zugelegt hat, heißt das nicht, dass dort automatisch alles gemäß biblischem Bauplan abläuft. Andererseits finden wir in so manchem freikirchlichen „Hauskreis“ echte Gemeinschaft, mit allem, was gemäß Apg 2,42 dazu gehört: biblische Lehre der Apostel, echte koinonia-Gemeinschaft, lebendiges Gebet und das Brotbrechen/ Herrenmahl. Außerdem hat jedes einzelne Treffen immer seine ganz individuelle Atmosphäre und Qualität. Manchmal läuft es gut, manchmal weniger gut. Manchmal offenbaren sich die Gegenwart des Herrn und das Wirken des Heiligen Geistes stärker, manchmal schwächer. Das gilt sowohl für Hausgemeinden wie für Hauskreise. Denn was beim Herrn wirklich zählt, sind nicht Etiketten und Bezeichnungen wie Hausgemeinde, Heimkirche, Hauskreis, Kleingruppe, Hauszellgruppe, Stubenversammlung, Gemeinschaftsstunde, Bibelgesprächskreis, Mannschaftstreffen (Marburger) etc., sondern die Herzensgesinnung und die wahre Absicht. Gott schaut auf die Herzen, nicht auf die Bezeichnungen. Ich habe schon Hausgemeinden erlebt, die von Eifersucht, Rechthaberei und pseudo-geistlichem Fanatismus geprägt waren – und die stetig Spaltungen erfuhren und schließlich daran zerbrochen sind, weil einer geistlicher sein wollte als der andere. Ständig hat man sich dort gegenseitig überwacht, ob da auch alles hundertprozentig koscher und (in ihrem Sinne) schriftgemäß abläuft.

Natürlich werden „Hauskreise“, die an eine etablierte Gemeinde, Freikirche oder Volkskirche angeschlossen sind, immer stark von deren geistlichem Niveau und konfessionellem Hintergrund geprägt sein. Doch der Herr prüft die Herzen. Wenn in einer Zusammenkunft Gläubiger ein aufrichtiges Verlangen besteht, Ihm zu begegnen, Ihm zu gefallen, Seinem Wort zu glauben und Ihm zu gehorchen, dann ist das eine Versammlung (ecclesia), die „im Namen Jesu“ zusammenkommt. Und diese Versammlung darf dann mit der Verheißung in Mt 18,20 rechnen – d.h. mit der Gegenwart Jesu Christi in ihrer Mitte – und ebenso mit dem lebendigen Wirken seines Heiligen Geistes.

Auch auf geistliche Gemeinschaften lassen sich die Worte aus 1.Joh 3,18 anwenden: „Kinder, lasst uns nicht lieben [und Gemeinschaft miteinander haben] mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit!“ Was beim Herrn zählt, das sind nicht schöne Worte und hochtrabende Ideale, sondern Taten, die der biblischen Wahrheit entsprechen. Ich bin auch dafür, dass wir biblische Terminologie (Bezeichnungen) verwenden, aber die Bezeichnung „Hausgemeinde“ kommt im Neuen Testament ebenso wenig vor wie die Deklaration „Hauskreis“ oder „Mannschaft“ oder „Hauszellgruppe“ oder „Kirche“. Es heißt dort lediglich „die Gemeinde in ihrem Haus“ (Röm 16,5;  Kol 4,15;  Phlm 2). Aber es heißt auch: Täglich verharrten sie [= die Gläubigen mit den Aposteln] einmütig im Tempel und brachen zu Hause das Brot, nahmen Speise mit Jubel und Schlichtheit des Herzens, lobten Gott und hatten Gunst beim ganzen Volk. Der Herr aber tat täglich hinzu, die gerettet werden sollten.“ (Apg 2,46.47 vgl. ) - „und sie [= die Gläubigen und die Aposteln] waren alle einmütig in der Säulenhalle Salomos“ (Apg 5,12 vgl. Apg 3,11) - das ist ein Hinweis auf die größere Versammlung der Gläubigen im Jerusalemer Tempel, was heute vergleichbar ist mit der umfangreicheren Gemeindeversammlung einer evangelikalen Freikirche.

Wir finden im Neuen Testament beides! – sowohl kleinere Hausversammlungen als auch größere Zusammenkünfte: „und sie hörten nicht auf, jeden Tag im Tempel und in den Häusern zu lehren und Jesus als den Christus zu verkündigen.“ (Apg 5,42) Auch die Gemeinde in Korinth, um die es im 1.Kor 14,26 geht, war offensichtlich eine größere Versammlung, wenn alle Gläubigen zusammenkamen. Denn bereits im 1. Jahrhundert der Christenheit gab es schon größere Räume und Säle in Privathäusern, in denen sich die Gläubigen einer Stadt in größerer Anzahl zusammenfinden konnten. Die allererste Gemeinde war ja eine Versammlung von etwa 120 Personen im „Obersaal“ (Apg 1,13-15;  2,1). Und der Apostel Paulus versammelte beispielsweise die Jünger der neu gegründeten Gemeinde in Ephesus anfangs eine Zeit lang im Hörsaal (Auditorium) einer Philosophenschule (Apg 19,9). Und die Sendschreiben an die Gemeinden in Kleinasien im Buch der Johannes-Offenbarung sind an ganze Ortsgemeinden gerichtet, die sicherlich auch größere Zusammenkünfte abhielten. 

Von daher scheint mir das rigorose Festhalten an starren Vorstellungen über Hausgemeinde, die in der HG-Szene mitunter zu beobachten sind, etwas übertrieben. Der Begriff „Hausgemeinde“ (Hauskirche) darf im Leib Christi nicht zum Kampfbegriff und Spaltkeil werden. Ich sehe die wahren Ursachen für die Krise der evangelikalen Christenheit heute vielmehr durch folgende vier große Ursachen bedingt:

1.       der Ökumenismus – d.h. die ökumenische Verbündung mit sakramentalistisch geprägten, geistlich toten Volkskirchen (sprich: katholische und evangelische Kirche) im ÖRK (Ökumenischer Rat der Kirchen), ACK (Arbeitskreis Christlicher Kirchen) und (zunehmend auch) in der Ev. Allianz (Joh 5,44;  2.Kor 6,14-18;  7,1;  2.Joh 8-11;  Offb 18,4;  2.Tim 3,5;  Jes 30,1). Um den ökumenischen Prozess nicht zu gefährden, wird umfassende Toleranz geübt. In konfliktträchtigen theologischen Positionen vermeiden die Freikirchen zunehmend eine klare, abgrenzende Positionierung und lassen unbiblische Lehren (wie z.B. den Sakramentalismus) unwidersprochen stehen. Die eigenen Lehrpositionen werden immer unschärfer, verschwommener und kraftloser. Wer meint es reiche aus, nur für etwas zu sein (nämlich für Jesus) ohne gegen gravierende Verirrungen Stellung zu beziehen, der verliert seine Salz- und Lichtkraft (siehe Mt 5,13-15;  Offb 3,16;  Eph 5,11) und sein geistliches Feuer (Röm 12,11). Wer nach wahrer geistlicher Einheit strebt und sich gegen die ökumenische Allverbrüderung sperrt, der wird als liebloser Fanatiker und gesetzlicher Fundamentalist bezeichnet und gemobbt. (Keine Toleranz für Toleranzverweigerer!) Es sei daran erinnert, dass Jesus im Hohepriesterlichen Gebet nicht Menschen um die Herstellung von Einheit gebeten hat, sondern den himmlischen Vater (Joh 17,1-26). Und der hat das Gebet seines Sohnes längst erhört und die Gläubigen im Heiligen Geist lebendig-organisch (nicht organisatorisch!) zusammengefügt (1.Kor 12,12-14). Nun geht es darum, diese innerlich bestehende Einheit des Geistes unter wiedergeborenen Christen durch das „Band der Liebe und des Friedens“ zu verwirklichen (Kol 3,14;  Eph 4,3). Die Herstellung authentischer Einheit ist ja nur zwischen erweckten, wiedergeborenen Christen möglich! Wer aber durch die ökumenische Verbündung mit Volkskirchen den falschen Weg einer (vermeintlich) sakramentalistischen Heilsübermittlung (via kirchlicher Sakraments-Rituale) toleriert, der wird mitschuldig am Verderben der irregeführten Seelen (Mt 18,7;  23,13;  2.Joh 7-11). Siehe dazu das Dokument Ökumene-Einheit oder echte Einheit "in Christus"?.

2. die Verweltlichung der Gläubigen durch einen Mangel an Absonderung vom Zeitgeist und von den Verführungsangeboten der Welt - via ungezügeltem Medienkonsum, freizügiger Moral, Wellness-Wohlfühl-Mentalität (Hedonismus), materialistische Gesinnung etc. (1.Joh 2,15-17;  4,5;  Lk 16,15;  Spr 4,23 – vgl. 1.Kor 2,12).

3. die Gefahr der finanziellen Abhängigkeit. Weil in den Gemeinden durch den Unterhalt eines Vollzeitpastors und durch aufwendige Räumlichkeiten ein großer Finanzbedarf besteht [in der Regel monatlich mindestens 10 000 €!], müssen die Gläubigen mit gefälliger Populärtheologie bei Laune gehalten werden, damit die Spenden fließen (Micha 3,11;  1.Tim 5,5b-12;  Tit 1,11;  2.Kor 2,17;  Hebr 13,5;  Mt 6,24-34). Diese Abhängigkeit hat dazu geführt, dass nicht der „ganze Ratschluss Gottes“ verkündigt wird, sondern ein weichgespültes „anderes Evangelium“ und eine Light-Version von Jüngerschaft (Apg 20,27;  2.Tim 3,16.17;  4,2-4;  2.Kor 11,3.4.14.15). Es ist zwar biblisch, dass die Verkündiger des Evangeliums finanziell unterstützt werden (Gal 6,6;  1.Kor 9,11.14), doch das darf nicht zu einer Veränderung oder Beschneidung der Verkündigungsinhalte führen, indem unbequeme biblische Wahrheiten einfach „weichgespült“ oder ganz verschwiegen werden. Auf diese Weise werden heute die Bedingungen der Nachfolge Christi vielerorts in verhängnisvoller Weise minimiert. Doch das geistliche Amt der Verkündigung und Lehre ist kein Geschäft zur Einkommenssicherung oder zur Erzielung finanzieller Gewinne (1.Tim 6,5;  Tit 1,11). Bereits in alter Zeit gab es derartige Missstände, die in den Augen des Herrn ein großes Übel darstellten: „Seine Häupter (= Anführer in Israel) richten [d.h. sprechen Recht] für Bestechung, seine Priester lehren für Lohn, und seine Propheten wahrsagen für Geld. Und dann stützen sie sich auf den HERRN und sagen: Ist der HERR etwa nicht in unserer Mitte? Kein Unglück wird über uns kommen!“ (Mi 3,11) - Die Gefahren, die durch finanzielle Abhängigkeit entstehen, werden durch das neutestamentliche Modell von Gemeindeleitung minimiert. Dort finden wir zur geistlichen Betreuung und Leitung der Christengemeinden Ältestengruppen, denen jeweils mehrere bewährte „Älteste“ angehörten (Apg 14,23;  20,17.28;  Tit 1,5;  Eph 4,11;  Phil 1,1;  1.Thess 5,12.13;  Hebr 13,17;  1.Petr 5,1-4). Diese waren die „Vorsteher“ und „Hirten“ (Pastoren) einer Ortsgemeinde. Die Betreffenden standen überwiegend im Berufsleben und waren wirtschaftlich unabhängig. Der „monarchische Episkopat“ – die Gemeindeführung durch einen einzelnen Pastor (dem einige „Älteste“ unterstützend zur Seite stehen) - entwickelte sich erst später. Die heute weit verbreitete Sitte, die „Ältesten“ demokratisch von den Gemeindemitgliedern wählen zu lassen, führt nicht selten dazu, dass oftmals beliebte „Jüngere“ das Sagen haben, weil diese forsch auftreten können. Leider erfüllen diese Personen oftmals gar nicht die erforderlichen Qualifikationen von bewährten, lebenserfahrenen, lehrfähigen Ältesten (1.Tim 3,1-5;  Tit 1,5-9). Siehe dazu das Dokument Neutestamentliche Leiterschaft.

 

4. die Bibelkritik, die heute auch in freikirchlichen Kreisen immer weiter um sich greift. Durch die „historisch-kritische Methode“ wird die vollumfängliche Inspiration und Gültigkeit des Wortes Gottes in der Heiligen Schrift angezweifelt bzw. geleugnet. Mit spitzfindigen Argumenten werden dabei oftmals die Offenbarungen, Gebote, Standards und Ansprüche Gottes aufgelöst und durch menschliche, „vernünftige“ Vorstellungen ersetzt (Offb 22,18.19;  5.Mo 4,2;  2.Tim 4,2-4;  Spr 30,5.6;  Ps 119,89.160;  Lk 21,33). Siehe dazu das Dokument  Die Bibel - das sichere Fundament.

An diesen Punkten müssen wir ansetzen! – nicht bei einer allzu akribischen Unterscheidung zwischen den Etiketten „Hauskreis“ und „Hausgemeinde“.

 

Eine nüchterne, unvoreingenommene Krankheitsdiagnose ist bekanntlich der Schlüssel für eine wirkungsvolle Therapie, die Heilung bringen kann. Und eine nüchterne (und mitunter ernüchternde) System-Analyse ist der Ausgangspunkt für eine effektive Beseitigung von Missständen. Allerdings führt das oftmals dazu, dass wir uns von lieben Gewohnheiten, kontraproduktiven Traditionen und unbiblischen Innovationen (Erneuerungen) trennen müssen, wenn wir die Aufträge Jesu Christi in verantwortungsvoller Weise erfüllen wollen. Die Gemeinde mit all ihren zugehörigen Gläubigen ist allein Sein Eigentum! – nicht das eines christlichen Dachverbands oder einer Kircheninstitution (1.Kor 7,23). ER ist der Herr und das „Haupt der Gemeinde“ (Kol 1,18;  Eph 1,22). Zur Erfüllung seiner Aufträge hat er uns sein biblisches Wort und den Heiligen Geist gegeben (Röm 14,17.18;  14,21.24;  16,13). Jesus erklärte: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaft meine Jünger“ (Joh 8,31). Wenn jemand nicht mit Ihm kooperiert, sondern seine eigenen Vorstellungen und ausgeklügelten Konzepte durchsetzen will, dann kann Jesus das nicht akzeptieren und absegnen: „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich, und wer nicht [kooperativ] mit mir sammelt, zerstreut.“(Mt 12,30) Deshalb betete der Apostel Paulus für die rechte Erkenntnis: „Deshalb hören auch wir nicht auf … für euch zu beten und zu bitten, dass ihr mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt werdet in aller Weisheit und geistlichem Verständnis“ (Kol 1,9). Der Apostel wusste: „Ohne Erkenntnis ist selbst Eifer nicht gut“ (Spr 19,2 vgl. Röm 10,2). Blinder, erkenntnisloser Eifer hat schon viel Schaden angerichtet. Echte geistliche Erkenntnis über die Aufträge Christi lenkt unseren Eifer in die rechten Bahnen, die Ihm wohlgefällig sind und bleibende Frucht hervorbringen. – Sind wir bereit, beim Thema Gemeinde eine ernüchternde kritische Diagnose und System-Analyse zu akzeptieren (wie in den oben beschriebenen vier Punkten) und heilsame Erkenntnis darüber zu empfangen, wie Jesus sich seine Gemeinde vorstellt? - Und sind wir bereit für Änderungen?

 

Wenn es ein Gesetz gibt, das dem Teufel besonders gefällt, dann ist es das Gesetz der Trägheit der Masse. Masse kann hier in zweifachem Sinn verstanden werden: ein einzelner Massekörper (Einzelperson) und die Masse als Menge (Menschenmenge). So wie es viel Kraft kostet, einen Körper im Ruhezustand in Bewegung zu setzten, genauso enorme Anstrengung kostet es, einen Massekörper, der sich in Bewegung befindet, in eine andere Richtung zu lenken oder ihn abzubremsen; mit enormer kinetischer Bewegungsenergie strebt er danach, sowohl die Bewegung als auch die eingeschlagene Richtung beizubehalten. Diese Gesetzmäßigkeit gibt es auch in geistlicher Hinsicht für einzelne Personen und für Menschenmassen. Bezogen auf unsere Thematik Rückkehr zum biblisch-göttlichen Bauplan für Gemeinde gilt: Einerseits fällt es dem Einzelnen wie der Masse schwer, eine Richtungsänderung vorzunehmen; andererseits wirkt sich die „Trägheit der Masse“ als Herdentrieb aus, bei dem eine geschlossene Menge ohne Abweichung einer gewohnheitsmäßigen Bahn folgt. Doch der Herdentrieb wurzelt in dem fatalen Irrtum, dass sich die breite Masse der Christenheit wohl kaum irren kann. Welch ein Trugschluss! Jesus erklärte, dass der „breite Weg“ (der Weg der Masse) ein Weg ist, der ins Verderben führt (Mt 7,13).  

 

Vielleicht benutzt Gott die Umstände der Corona-Krise (unter anderem) auch dafür, dass in der Christenheit die Trägheit der Masse überwunden wird und festgefahrene, starre Strukturen aufgebrochen werden, damit Er „Neues wirken“ kann (Jes 43,19;  48,6). Möglicherweise dient die „Corona-Plage“ mit ihren unbequemen Auflagen dazu, die Gemeinde Jesu als neutestamentliches Volk Gottes aus der ägyptischen Knechtschaft der Kircheninstitutionen zu befreien, um sie in die Freiheit der unmittelbaren authentischen Gemeinschaft (koinonia) zurückzuführen (Gal 5,1;  2.Kor 3,17). Denn allein dort kann das allgemeine Priestertum aller Gläubigen konsequent verwirklicht werden (1.Petr 2,5.9;  Offb 1,5.7). Corona-Zeit kann zur Wende-Zeit werden, wenn unser Eifer und der Gebrauch der Geistesgaben (charismata) durch rechte biblische Erkenntnis in die rechte Spur gebracht werden (1.Petr 4,10.11). Die evangelikalen Freikirchen müssen sich neu erfinden – und vor allem müssen sie zur strikten biblischen Orientierung zurückfinden. Andernfalls führt ihr Weg nicht ins „verheißene Land“, sondern zum Kreisverkehr in die Wüste.

 

Für meine Frau und mich ist gerade jetzt in der Corona-Zeit eines wichtig geworden: Jede einzelne persönliche Begegnung zählt! – Bei jeder Begegnung mit einem (oder mehreren) Gläubigen besteht die potenzielle Möglichkeit, dass sich gemäß Mt 18,20 ganz spontan „Gemeinde ereignet“ und echte Gemeinschaft (koinonia) stattfindet. Ob das dann tatsächlich geschieht, das hängt nicht von Bezeichnungen und Etiketten ab, die wir einer solchen Begegnung verleihen, sondern davon, ob wir dazu bereit sind „im Geist zu wandeln“ (Gal 5,16), „in Tat und Wahrheit zu lieben“ (1.Joh 3,18) und dem Bruder oder der Schwester mit den empfangenen Gaben zu dienen (1.Petr 4,10.11). Von daher sehe ich keine Notwendigkeit, mich auf eine starre Bezeichnung wie Hausgemeinde, Hauskreis, Versammlung oder Gemeinschaft festzulegen. Denn der Inhalt zählt – nicht das Etikett!

Mir erscheint eine andere Begriffsabgrenzung wesentlich wichtiger – nämlich die der strikten Unterscheidung zwischen „Gemeinde“ („ecclesia“ = „die Herausgerufenen“) einerseits und „Kirche“ (abgeleitet von kyriake oikia“ = „des Herrn Haus“) andererseits. Die Bezeichnung „Kirche“ steht für das institutionalisierte, volkskirchliche Christentum und für den verhängnisvollen Irrweg des Sakramentalismus, durch den eine vermeintliche Heilsübermittlung durch kirchliche Rituale wie (Säuglings-)Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte etc. angeboten wird. Die von Gott gegebenen hilfreichen Erinnerungs- und Merkzeichen zur Glaubensstärkung wurden von Kirchenlehrern und Theologen (Augustinus, Th. v. Aquin, Luther etc.) in einen starren, toten Ritualismus verwandelt (gemäß dem theologischen Prinzip „ex opere operato“). Außerdem steht das Markenzeichen „Kirche“ für eine ganze Reihe abscheulicher Gräueltaten, die im Laufe der „Kirchen-Geschichte“ verübt wurden.

Die Institution „Volkskirche“ ist überwiegend ein geistlich toter Baum, dem das echte Leben des Heiligen Geistes fehlt. Denn die Kirchenmitglieder werden in der Regel nicht zu einer schriftgemäßen metanoia-Bekehrung zu Jesus Christus aufgerufen und nicht zur authentischen geistlichen Wiedergeburt geführt (Joh 3,3.5-8;  7,38.39;  Tit 3,4-7;  Apg 2,38;  3,19;  17,30.31;  Mk 1,14.15). Dieser tote Kirchen-Baum hat mehrere tote Hauptäste (Konfessionen), die allesamt der toten theologischen Wurzel des Sakramentalismus entspringen: der römisch-katholische Ast, der protestantisch-evangelische Ast, der orthodoxe Ast - und einige weitere (vgl. Mk 11,20.21;  Offb 3,1b;  18,4;  2.Tim 3,5;  2.Kor 6,14-18;  7,1). Von den toten Hauptästen gehen dürre Zweige (= Ortsgemeinden) aus, an denen nur vereinzelt ein paar lebendige Blätter hängen (= wirklich Gläubige). Auch mancherlei verwelktes Laub ist dort zu finden; das sind gescheiterte Erweckungs- und Reformationsversuche, die heillos im Sakramentalismus stecken geblieben sind oder später durch Institutionalisierung abgewürgt wurden. - Die evangelikalen Freikichen hingegen befinden sich heute zwar ebenfalls in einem fortschreitenden Institutionalisierungsprozess, aber sie sind insgesamt noch ein (mehr oder weniger) lebendiger Baum. Doch an diesem bilden sich jetzt mehr und mehr absterbende bzw. tote Äste, Zweige und Blätter (Ortsgemeinden/Mitglieder) (siehe Offb 3,1b-3;  Hebr 12,12-15). 

Im englischsprachigen Raum wird die notwendige Unterscheidung/Abgrenzung zwischen den beiden beschriebenen Erscheinungsformen leider heillos vermischt durch die uniforme Bezeichnung „church“ – die sowohl mit „Gemeinde“ als auch mit „Kirche“ übersetzt werden kann. In meinen Schriften habe ich eine konsequente und strikte Trennung dieser beiden Begriffe vorgenommen.

Ich schreibe das alles nicht, um Kirchen, Gemeinden oder Christen zu verurteilen, sondern um die heutige Situation der Christenheit geistlich zu beurteilen (1.Kor 2,12-15;  1.Joh 4,1) – und das nicht als realitätsferner Beobachter und Kontrolleur, sondern als unmittelbar Beteiligter! Nur wer bereit ist, sich unbequemer Wahrheit zu stellen, der wird die Offenbarung dessen ertragen, der die Wahrheit in Person ist (Joh 14,6). Jesus Christus ist gekommen als unbestechlicher Zeuge der Wahrheit (Joh 18,37;  Offb 1,5). Er hat uns keine Wellness-Verheißungen gegeben, „das Leben zu genießen“. Seine Verheißung lautet: Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, welcher in dem Paradies Gottes ist.“ (Offb 2,7) Er hat uns überfließendes geistliches(!) Leben (griech.: zoe) verheißen (Joh 10,10;  7,38.39). Vom natürlichen Leben (griech.: psyche) sagte er: „Wer sein Leben (psyche) zu retten sucht, wird es verlieren; doch wer es verliert, wird es erhalten.“ (Lk 17,33) Auch die (wahren!) Apostel verkündeten kein Wohlfühl-Christentum: „Sie stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu verharren, und sagten, dass wir durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes hineingehen müssen.“ (Apg 14,22) – Und genau darum geht es in der echten geistlichen Gemeinschaft (koinonia), egal welche Bezeichnung diese nun trägt: Um die Zeugung und Förderung geistlichen Lebens, und um das geistliche Training zur Überwindung – zur Überwindung der Welt, des Zeitgeistes, des „Fleisches“ (sündige Wesensnatur) und auch des religiösen Geistes (Gal 5,16-25;  Röm 8,12.13;  14,19;  1.Petr 4,10-13;  1.Joh 5,4.5,  2.Kor 11.3-4.13-15).

Um dieses Überwinden geht es auch in den Büchern von Watchman Nee. Das in deiner Email genannte Buch „Das normale Gemeindeleben“ kenne ich noch nicht. (Ich habe es mir gleich bestellt!) Ich kenne andere Bücher von diesem gesegneten chinesischen Bibellehrer – „Der geistliche Christ“, „Das normale Christenleben“, „Zur Ehre Gottes leben“ und „Die verborgene Kraft der Seele“.

Durch die Corona-Krise wird jetzt sichtbar, wo die Gläubigen in den Gemeinden trainiert wurden oder wo sie in den Schlaf gelullt wurden. Statt billiger Durchhalte-Parolen sind jetzt mancherorts aufrichtige Buße und Umkehr angesagt (Offb 2,5;  3,3).

 

Jetzt erstmal dir und deiner Frau Gottes Segen, Führung und Bewahrung. Herzliche Grüße – Joachim Hübel



In zwei weiteren Emails teilt R. K. mir (zusammengefasst) folgendes mit:

 

Er sei der Auffassung, dass es trotzdem wichtig sei, auch bei der Bezeichnung eine klare Unterscheidung von Hausgemeinde und Hauskreis vorzunehmen, weil in Hauskreisen oftmals nicht das Bewusstsein vorhanden sei, Gemeinde zu sein. Ein Hauskreis sehe sich eher als Anhang einer Gemeinde. Aus diesem Grund fehlen dort in der Regel jene Handlungen, die Gemeinde ausmachen: Abendmahl, Krankengebet, Taufen und Seelsorge. Eine Hausgemeinde hingegen habe von vornherein die Absicht, gemeindemäßige Zusammenkünfte abzuhalten, weil die Angehörigen sich als Gemeinde sehen.


In meiner Antwort-Email schrieb ich zurück:

Lieber Bruder R.,

zu deinen Aussagen (in deinen letzten beiden Emails) möchte ich folgendes bemerken: Wie gesagt, nicht das Etikett ist das Entscheidende, sondern der Inhalt. Wenn der Inhalt nicht dem Etikett entspricht, dann bezeichnet man das als Etikettenschwindel. Dieser ist auch dann gegeben, wenn sich ein Kreis von Gläubigen als Gemeinde bzw. Hausgemeinde bezeichnet, dann aber im Wesentlichen nicht den neutestamentlichen Bauplan Gottes für die Gemeinde Jesu verwirklicht. Dann sind ein Umdenken und eine Gesinnungs- und Verhaltensänderung erforderlich.

Wenn den Angehörigen eines „Hauskreises“ neu bewusst wird, „wir sind (vollwertige!) Gemeinde Jesu“, dann muss dieser „neue Wein“ in „neue Schläuche“, d.h. in neue Verhaltenweisen gefüllt werden. Zum Aufbau der neuen Identität – nämlich vollwertig Gemeinde Jesu zu sein -, ist keine Etikettenänderung erforderlich, sondern eine Bewusstseins- und Verhaltensänderung. Andererseits kann es natürlich hilfreich sein, auch das Etikett zu ändern, wenn ein entsprechendes Umdenken stattgefunden hat. Das kann zur Stabilisierung der neuen Identität als Gemeinde (ecclesia) beitragen. Allerdings sei angemerkt, dass ein „Hauskreis“, der sich als Anhang einer größeren Gemeinde-Versammlung (Freikirche) versteht, nicht von vornherein falsch läuft und den Gemeindeauftrag verfehlt, bloß weil er nicht die Bezeichnung „Hausgemeinde“ trägt. Wie ich schon betont habe: wenn Jesus sich unter Gläubigen offenbaren will, dann schaut er nicht auf das Etikett, sondern auf die Herzensgesinnung und auf die Tat-sachen. Jesus sagt: „Ich seid meine wahren Jünger und meine wahre Gemeinde, wenn ihr an mich glaubt (wie die Schrift sagt!) und euch an meine biblischen Anweisungen haltet.“ (nach Joh 7,38.39;  8,31.32;  14,15.21.23.24;  Lk 6,46;  Mt 7,24ff)

 

Aber ich stimme mit dir darin überein, dass heute selbst bei entschiedenen Gläubigen ein bedauerlicher Mangel an Erkenntnis herrscht, was der geistliche Leibesorganismus der wahren Gemeinde Jesu (gemäß der Heiligen Schrift) wirklich ist. Es gibt ja weltweit nur einen einzigen wahren Leib Christi: „Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden.“ (1.Kor 12,13). Es gibt heute nur ein einziges wahres „Volk Gottes“ (Eph 2,12-23;  4,4;  1.Petr 2,9.10). Nur wer „aus Wasser und Geist von neuem geboren ist“ (Joh 3,3.5), der gehört zu diesem einen „Volk Gottes“ und zu dem einen Leib“ Christi (Eph 4,4). Mit „Wasser“ ist hier übrigens nicht das Taufwasser bzw. die Wassertaufe gemeint, sondern die Geistestaufe! (Apg 1,5;  Mt 3,11) Bei der Bezeichnung Wasser und Geist in Joh 3,5 handelt es sich um eine Dublierung – d.h. eine Doppelbezeichnung für ein und dasselbe - nämlich für den Empfang des Heiligen Geistes (siehe Joh 4,10;  7,37-39;  Offb 21,6;  22,17;  Tit 3,4-7). Wenn wir heute über diese Dinge sprechen, reicht es nicht aus, nur positive Ansagen zu machen. Wir dürfen uns nicht scheuen, die kirchliche Verirrung des Sakramentalismus beim Namen zu nennen (gemäß Eph 5,11;  2.Tim 3,5) und als verhängnisvollen Irrweg zu deklarieren: das kirchliche Sakrament der Taufe (das auch in irriger Weise als „Sakrament der Wiedergeburt“ bezeichnet wird und in der Regel an Säuglingen vollzogen wird), kann niemanden retten und zur geistlichen Wiedergeburt verhelfen. Selbst eine schriftgemäß praktizierte Bekehrungs-Taufe an Erwachsenen vermittelt nicht die Erlösung und die geistliche Wiedergeburt, sondern bezeugt (bestätigt) lediglich die Bekehrung und den Glauben des Täuflings. (Vorausgesetzt, der Täufling wurde vor der Taufe einer eingehenden Glaubensprüfung unterzogen.) Denn die Erlösung und die geistliche Wiedergeburt werden allein durch eine wahre Herzens-Bekehrung (Umkehr) und durch den persönlichen Glauben an das schriftgemäße Evangelium Jesu Christi empfangen (Mk 1,14.15;  Apg 3,19;  17,30;  20,21;  Eph 1,13;  Röm 5,1.2). Aus diesem Grund taufte der Apostel Paulus nicht, sondern verkündigte das Evangelium (1.Kor 1,17.21;  15,1-3;  Röm 10,8-17). 

Der universale „eine Leib“ Christi (Eph 4,4;  Gal 3,28) manifestiert sich sichtbar überall dort, wo geistlich wiedergeborene Gläubige im Namen des Herrn Jesus  zusammenkommen und authentische geistliche Gemeinschaft haben (Mt 18,20). Das kann bei einer ganz kurzen Begegnung stattfinden, etwa bei einem spontanen Besuch oder einem Spaziergang, oder im größeren Rahmen bei einer planmäßigen Versammlung in einer Hausgemeinde oder in einem „Obersaal“ (Apg 1,13-15;  2,1) - d.h. bei einem Treffen größeren Formats. Der Leib Christi vor Ort ist die Summe aller wiedergeborenen Gläubigen in einer Stadt bzw. in einer Region. Die einzelnen Leibesglieder sollen dann durch geistliche Gemeinschaft (koinonia) und durch die Gelenke und Bänder der verschiedenen Dienste (diakonia), Dienstgaben (charismata) und Leitungsämter (nach Eph 4,11: Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer) zu einem zusammenhängenden Organismus aufgebaut werden (Eph 4,16). Dieser besteht konkret aus vielen kleinen und größeren lebendigen Gemeinschaftszellen (oder besser: Zellverbänden).

 

Die heutige Realität ist jedoch die, dass die eine Gemeinde Jesu vor Ort in viele von einander getrennte Kreise, Gruppen und Gemeinden zerteilt ist, die oftmals auch unterschiedlich konfessionell geprägt sind. Doch es wäre grundverkehrt, die Gläubigen einer Stadt/Region alle zu uniformieren und zwangsmäßig in einer einzigen institutionellen „Kirche“ zu vereinigen (wie das der Katholizismus anstrebt). Es geht vielmehr um die Verwirklichung authentisch gelebter geistlicher Einheit in kultureller Vielheit (aber nicht um Toleranz in einer lehrmäßigen Vielheit unbiblischer Lehren und theologischer Verirrungen!). Um geistliche Einheit verwirklichen zu können, ist zunächst einmal eine geistliche Erkenntnis über die wahre Gemeinde Jesu erforderlich - und außerdem ein geistliches Unterscheidungsvermögen, welche Personen dazugehören und welche nicht. Denn eine heillose Vermischung von geistlich toten Religions-Christen und lebendigen, wiedergeborenen Gläubigen ist nicht im Sinne Gottes. Er fordert uns in seinem Wort zu einer klaren Absonderung und zu einer Scheidung der Geister auf (2.Kor 6,14-18;  7,1;  Hebr 4,12.13;  1.Joh 4,1-3;  2.Joh 9-11;  Offb 18,4;  2.Tim 3,5;  Eph 5,11). Das ist eine entschiedene Absage an den Ökumenismus, der die Christen aller Kirchen und Konfessionen vereinigen und verbinden will. Eine derartige Verbündung öffnet den Irrgeistern Tür und Tor. Wir müssen uns bewusst machen: Gott hat das hohepriesterliche Gebet seines Sohnes, in dem dieser um die geistliche Einheit seiner Jünger gebeten hat, längst erhört und erfüllt (siehe Joh 17,17-23 > Joh 11.22.42). Doch die Erhörung geschah bzw. geschieht auf ganz andere Weise, als sich das die Menschen vorstellen – siehe 1.Kor 12,13. Jedenfalls hat Jesus sein hohepriesterliches Gebet nicht an Menschen gerichtet, sondern an den himmlischen Vater! Daher sind die ökumenischen Bestrebungen (in ÖRK, ACK etc.), die Einheit der Christenheit herbeizuführen, nicht nur zum Scheitern verurteilt, sonder sie stellen sogar ein Form der Rebellion gegen Gottes Pläne dar (vgl. Mt 12,30). Denn die angestrebte Ökumene-Einheit geht auf Kosten der biblischen Wahrheit und auf Kosten der wahren geistlichen(!) Einheit.

Gut gemeinte, menschliche Konzepte erweisen sich im Licht der biblischen Offenbarung oftmals als nutzlos, ja als schädlich. Denn die menschlichen Vernunftschlüsse widersprechen oftmals der Weisheit Gottes (vgl. Mt 16,21-23;  1.Kor 2,6-8;  Kol 2,8). Nicht selten stellen sie sogar „Höhen“ (= Festungen/Bollwerke) dar, „die sich gegen die Erkenntnis Gottes erheben“ (2.Kor 10,3-6), und die mit den geistlichen Waffen des Lichtes niedergerissen werden müssen (Röm 13,12). In dieser Hinsicht erweist sich das biblische Wort Gottes als kraftvoller „Hammer, der Felsen zerschmettert“ (Jer 23,29). Guter Wille und Eifer reichen nicht aus, um die vorbereiteten Werke Gottes zu wirken (Eph 2,10). Die Heilige Schrift warnt uns vor einem „Eifer ohne Erkenntnis“ (Spr 19,2;  Röm 10,2). Damit unser Eifer und unser Tatendrang in die rechten Bahnen gelenkt werden, brauchen wir eine sorgfältige Lehre über die Weisheit Gottes und über die Erkenntnis seiner „höheren Wege und Gedanken“ (Jes 55,8.9;  48,17;  Ps 32,8;  Kol 1,9.10;  2.Tim 3,16.17). Wer die eingehende Belehrung aus dem inspirierten Wort Gottes verschmäht, der erweist sich am Ende als Verderber, der Gott ins Handwerk pfuscht (2.Kor 11,13;  1.Kor 3,17;  Mt 15,3.7-9).

Die Gläubigen werden heute kaum in neutestamentlicher Weise darüber belehrt, was Gemeinde Jesu wirklich ist – ihnen bleibt der geistliche Blick für den geistlichen Leib Christi verschlossen (1.Kor 2,12-14;  Offb 3,18). Sie werden kaum zur Reife und Mündigkeit geführt, die Dinge geistlich zu beurteilen (vgl. 1.Kor 2,12-15). Das würde nämlich bedeuten, dass sie frei und unabhängig werden – d.h. allein vom Herrn der Gemeinde, von Jesus Christus, abhängig – gemäß der Anweisung von Paulus: „Ihr seid um einen [kostbaren] Preis erkauft. Werdet nicht Sklaven von Menschen! … Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. Steht nun fest und lasst euch nicht wieder durch ein Joch der Sklaverei (o. Abhängigkeit) belasten!“ (1.Kor 7,23;  Gal 5,1) 

Heute wird in vielen christlichen Kreisen „Kundenbindung“ betrieben, indem die Glaubensgenossen in der Unmündigkeit und Unselbstständigkeit gehalten werden. Ganz nach dem Motto: „Ohne uns als Gemeinde/Kirche kommst du nicht weiter!“ – oder: „Ohne feste Gemeindemitgliedschaft bist du ein obdachloser Christ!“. Bereits in der frühkatholischen Christenheit wurde diese Abhängigkeits-Mentalität aufgebaut. Der Kirchenlehrer Cyprian verkündigte: „Derjenige kann Gott nicht zum Vater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat!“ - und: „Außerhalb der Kirche(n-Istitutiuon) gibt es kein Heil!“ - Bis heute bindet die römisch-katholische Kirche unzählige Menschen durch ihre Sakramente an ihre Institution und ihre (vermeintlich!) monopolistische Vermittlerrolle. Nach katholischer Auffassung kann nur der in den Himmel gelangen, der bis zum letzten Atemzug fortlaufend exklusiv ihre kirchlichen Sakramente konsumiert: angefangen vom Tauf-Sakrament (in der Regel als Säuglingstaufe), über die Firmung, die Kommunion (mit Transsubstantiation im Messopferritual) und die turnusmäßige Pflichtbeichte bis hin zur „letzten Ölung“ … nicht zu vergessen die (unbiblischen!) Ablässe für (vermeintliche) Fegefeuerqualen, die auch heute noch von der römisch-katholischen Kirche unter bestimmten Bedingungen großzügig gewährt werden.

Außerdem wurde der Klerikalismus eingeführt – das ist die Unterteilung des Kirchenvolkes in eine aktive, führende Priesterschaft und in die Menge der passiven Laien, die von den Priestern (den „Geistlichen“) geführt und mit den (vermeintlich) heilsnotwendigen kirchlichen Sakramenten versorgt werden. Das neutestamentliche „allgemeine Priestertum aller Gläubigen“ (1.Petr 2,5.9;  Röm 12,4-8;  1.Kor 12,11.12;  14,12.26;  1.Petr 4,10), durch das jeder wiedergeborene Gläubige aufgerufen ist, mit seiner empfangenen Gabe der Allgemeinheit zu dienen, wurde im Laufe der Kirchengeschichte verdrängt. Leider suchen wir auch in den Freikirchen oftmals vergeblich nach der praktischen Verwirklichung des „allgemeinen Priestertums“. Das kirchliche Modell des Klerikalismus’ hat auch auf den freikichlichen Sektor abgefärbt.

Und wer ist dafür verantwortlich, dass sich heute sogar die evangelikalen Christen, Gemeinden und „Freikirchen“ in eben dem beschriebenen bedauerlichen Zustand befinden, den wir vielerorts beobachten? – Die Leiterschaft! (= Pastoren, Gemeindeleiter, Älteste u.a.). Diese erweisen sich oftmals leider als „blinde Blindenführer“, die selbst über zentrale neutestamentliche Lehrzusammenhänge wenig Ahnung haben. (Zum Beispiel darüber, was bei der geistlichen Wiedergeburt geschieht, und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit diese tatsächlich stattfindet.) Auch heute wieder „kommt das Volk Gottes um aus Mangel an Erkenntnis“ (Hos 4,6;  Jes 5,13). Es ist dem Feind gelungen, die Gläubigen dahin zu bringen, dass sie geistliche Gottes- und Wahrheitserkenntnis gering achten und verschmähen. Und wieder einmal missbraucht die alte Schlange für ihre hinterhältigen Taktiken das Wort Gottes, um Gläubige auf die falsche Spur zu locken (2.Kor 11,3.4.13-15;  1.Mo 3,1;  Mt 4,6). Sie flüstert ihnen das Wort ins Ohr: „Die Erkenntnis bläht auf, die Liebe aber erbaut.“ (1.Kor 8,1) und „Erkenntnis ist Stückwerk“ (nach 1.Kor 13,9-12). Viele Gläubige fallen auf diesen Betrug herein, weil sie die große Fülle biblischer Anweisungen missachten, die den hohen Stellenwert geistlicher Erkenntnis betont und uns auffordert, nach geistlicher Erkenntnis zu streben (siehe 2.Petr 2,18;  Joh 8,31.32;  Kol 1,9.10;  Eph 1,15-19;  1.Tim 2,4;  2.Tim 2,25;  Tit 1,1;  1.Kor 12,2;  14,20 – vgl. Lk 11,52;  2.Tim 3,7).

Aber nicht nur die Leiter sind für das geistliche Wohlbefinden der ihnen anvertrauten Seelen zuständig. Auch jeder einzelne Gläubige ist für seinen eigenen geistlichen Zustand verantwortlich. Leider gibt es heute nur noch wenige Gemeinden, in denen die ganze biblische Wahrheit – „der ganze Ratschluss Gottes“ (Apg 20,36) – verkündigt wird; und diese Gemeinden haben keinen großen Zulauf. Denn dort wird ihnen ja nicht die gefällige „Populärtheologie“ verkündigt, nach der ihre Ohren jucken: „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, weil es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden.“ (2.Tim 4,3.4) Das Ganze ist also auch eine Sache von „Angebot und Nachfrage“.

Ich stellte einem ehemaligen freikirchlichen Pastor einmal die Frage, ob das Bewusstsein, dass man von den Spenden der Gemeinde unterhalten wird, sich auf den Dienst und den Inhalt der Verkündigung auswirke. Ohne zu zögern erklärte er: „Natürlich! Die Leute wollen doch für ihr Geld etwas haben!“ – Ich bin froh, dass mich die Vorsehung Gottes in eine Lage der versorgungsmäßigen Unabhängigkeit versetzt hat. Da kann ich frank und frei die biblische Wahrheit lehren, ohne mir darüber Gedanken machen zu müssen, wen ich durch meine klaren Ansagen vielleicht als Spender vergraule. Außerdem bewahrt es den von mir gegründeten Exegesa-Bibel-Lehrdienst vor der Peinlichkeit, gleich auf der Homepage-Startseite eine Bankverbindung für Spenden zu präsentieren (oder einen Link zum Spendenaufruf), so wie das von vielen Lehrdiensten und Gemeinden praktiziert wird. 

Es ist ein großes Übel, wenn „für Geld gelehrt und für Lohn geweissagt“ wird (Mi 3,11). Die finanzielle Abhängigkeit hat leider dazu geführt, dass vielerorts „mit dem Wort Gottes Handel getrieben wird“ und „um schändlichen Gewinnes willen gelehrt wird, was sich nicht geziemt“ (Tit 1,11). Das Resultat ist - in den meisten Fällen - eine gefällige Populärtheologie, die die Gläubigen mit wohllautenden Ermunterungen in den Schlaf lullt. Vor nicht allzu langer Zeit warf mir ein Glaubensgenosse vor: „Wenn man dich ungehindert predigen ließe, dann wäre die Gemeinde schnell leer!“ – Nein, sie wäre sicherlich nicht leer, sondern es würde ein „Publikumswechsel“ stattfinden, verbunden mit einer „Gesundschrumpfung“. Gott sei Dank, gibt es heute immer noch Gläubige, die ausdrücklich wünschen, dass man ihnen unverkürzt die biblische Wahrheit verkündigt, auch wenn diese mitunter etwas unbequem ist. – Der besagte Glaubengenosse, der mich kritisierte, war von mir vorher ermahnt worden, weil er in einer Predigt mehrfach eine irreführende, populärtheologische Position verkündigte. Er äußerte die weit verbreitete irrige Auffassung, dass Gott den Menschen aufgrund seiner bedingungslosen Liebe auch eine bedingungslose Erlösung, Versöhnung und Annahme als Kinder Gottes gewähre.

 

Heute wird die Gnade Gottes oftmals falsch interpretiert. Weil die Erlösung gemäß biblischer Aussage ohne jeden Verdienst (d.h. ohne gute Werke als Gegenleistung) ganz unverdient und unverdienbar allein durch Gnade geschieht (sola gratia), wird sie als „bedingungsloses“ Geschenk angesehen. Doch Gnade bedeutet nicht, dass Gott uns bedingungslos erlöst. Die Bibel nennt uns ganz konkrete Bedingungen, die wir erfüllen müssen, damit Gott uns Gnade gewährt und erlöst. Diese Bedingungen sind keine „Bezahlung“ oder Gegenleistung. Wir können uns die Erlösung niemals verdienen oder kaufen (Apg 8,20) – weder durch gute Werke noch durch Opfer oder Selbstkasteiung. Die populärtheologische Feststellung, dass wir die Erlösung einfach vertrauensvoll (gläubig) als Geschenk annehmen dürfen, widerspricht eindeutig der Lehre des Neuen Testaments. Selbstverständlich ist die Erlösung eine „Gottesgabe“ (Eph 2,8) und eine „Gnadengabe“ (Röm 5,15.16;  6,23). Doch damit jemand diese Gabe empfangen kann, müssen beim Empfänger allerdings einige Konditionen (Bedingungen/Voraussetzungen) erfüllt sein, die uns Gott in seinem inspirierten Wort der Bibel aufzeigt: In Verbindung mit dem persönlichen Glauben an das schriftgemäße(!) Evangelium und an den wahren, biblisch bezeugten Christus Jesus (Joh 7,38;  1.Kor 15,1-3) wird die radikale „Umkehr“ (griech. metanoia/epistrepho) genannt: „Jesus … predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,14.15 – siehe auch Mk 6,12;  Lk 5,32;  13,3.5;  24,46.47;  Apg 2,38;  3,19;  17,13.14;  20,21;  26,20;  Röm 2,4;  2.Kor 7,10;  2.Petr 3,9). Was in vielen Bibelübersetzungen mit „Buße“ übersetzt wird, bedeutet eine entschiedene Umkehr (Bekehrung) mit einer vollständigen Lebensübergabe an Gott. Eine Umkehr im neutestamentlichen Sinne findet dann statt, wenn sich jemand mit seiner ganzen Person und seinem ganzen Leben der Herrschaft Gottes und Jesu Christi unterstellt. Vor Gott und den Engeln im Himmel ist nicht große Freude über einen Sünder, der sich das Geschenk der (vermeintlich) bedingungslosen Erlösung abholt, sondern über einen Sünder der eine vollständige Buße und Umkehr vollzieht: „So wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut [d.h. der eine vollständige Umkehr zu Gott vollzieht] … So, sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.“ (Lk 15,7.10) Leider ist die Bedeutung des Begriffs „Buße“ im Laufe der Kirchengeschichte in der Theologie der Volkskirchen und in der Populärtheologie der Evangelikalen (Freikirchen etc.) total verdreht worden. Deshalb sollten wir es unbedingt durch die Begriffe „Umkehr“, „Bekehrung“ oder „Lebenswende“ ersetzten. 

Was mit „Buße“ bzw. „Umkehr“ nach biblischer Definition wirklich gemeint ist, das habe ich in meinem Buch über die Bedingungen der Erlösung und der Annahme von Gott als geliebtes Kind aufgezeigt: „Von Gott bedingungslos geliebt, errettet und angenommen?“. Dieses Buch kann hier auf der Exegesa-Homepage kostenlos heruntergeladen werden. Wenn du, lieber Leser, prüfen möchtest, ob deine Vorstellung von „Buße“ und „Bekehrung“ der neutestamentlichen Lehre entspricht, dann solltest du dich mit diesem Buch beschäftigen. Weitere Informationen zu diesem Thema findest du auf dem Exegesa-Links Die Erlösung erfahren.

 

Das ist ein wichtiges Thema! Darüber brauchen wir gute biblische Lehre. Denn wer die im Wort Gottes genannten Bedingungen nicht erfüllt, der geht leer aus! Die oben beschriebene Populärtheologie führt letztendlich weder zur wirksamen Erlösung noch zur geistlichen Wiedergeburt, sondern zu einer kraft- und wirkungslosen Religiosität (2.Tim 3,5). Und genau das ist das gemeinsame Merkmal, das die Populärtheologie mit der sakramentalistischen Theologie der Volkskirchen verbindet.

Es reicht heute nicht aus, in positiver Weise einfach nur das Richtige aufzuzeigen – z.B. den schriftgemäßen Weg der Heilsübermittlung und des Gemeindeaufbaus. Wir müssen heute in aller Deutlichkeit auch das Falsche bloßstellen und aufzeigen, warum es falsch ist (Eph 5,11.13;  Tit 1,9;  Joh 3,20.21;  Hebr 4,12.13) – z.B. den Irrweg des volkskirchlichen Sakramentalismus (= rituelle Heilsübermittlung), den Klerikalismus (= Aufspaltung der Gemeinde in aktive „Geistliche“ und passive Laien), den Institutionalismus (= Kirche als Organisation und Heilsinstitution) und den Ökumenismus (= Vermischung wahrer Gläubiger mit institutionellen Christen). Jesus Christus wurde nicht angefeindet, weil er die Dinge positiv aufzeigte, sondern weil er obendrein mit scharfen Worten die negativen Erscheinungsformen der erstarrten, toten Religiosität anprangerte. Er warnte seine Jünger: „Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten.“ (Joh 15,20) Wenn Gläubige von der institutionell-religiösen Welt nicht mehr kritisiert und verfolgt werden, dann ist das ein Warnsignal. Dann liegt das möglicherweise daran, dass sie mit ihrem Bemühen, die Dinge in rein positiver, moderater Weise darzustellen, ihre geistliche Salz- und Lichtkraft verloren haben (Mt 5,13). Ein Licht, das immer nur das Gute beleuchten möchte, aber nicht bereit ist, das Schlechte/Falsche bloßzustellen, wird bald gar nichts mehr beleuchten – es wird immer schwächer und erlischt schließlich ganz! Doch wer mit mutigem Bekenntnis in die Fußstapfen seines Herrn und Meisters tritt, der wird erleben, wie seine geistliche Kraft wächst und sein Licht immer heller aufstrahlt (Spr 4,18;  Eph 6,10;  1.Kor 16,13;  Apg 1,18;  2.Tim 1,7).

Ja, lieber Bruder R., es ist so wie du schriebst: die Gläubigen sind oftmals nicht in der Lage, einander geistliche Dinge mitzuteilen. Denn sie wurden/werden nicht richtig trainiert, einander geistlich zu erbauen, zu ermutigen, zu ermahnen, zu lehren und in den Geistesgaben zu dienen (Röm 15,14;  1.Thess 5,11;  Kol 3,16;  1.Petr 4,10). Sie brauchen schriftgemäße Anleitung. Und die fehlt leider vielerorts. Aber wir können mit der Hilfe des Herrn im Kleinen wirken und betroffenen Glaubensgenossen geistliche „Augensalbe vermitteln“ (Offb 3,18), damit sie beginnen, die Dinge geistlich(er) zu beurteilen (1.Kor 2,12-15) und eine neue Sicht für Gemeinde Jesu und für die Jüngerschaft zu bekommen. Ein Pionier der Hausgemeinden-Bewegung stellte fest: „Gemeinde, wie wir sie heute kennen, verhindert oftmals Gemeinde, so wie Gott sie möchte.“ (Wolfgang Simpson) – Ausgerüstet mit biblischer Erkenntnis über Gemeinde, können wir uns darum bemühen, die biblische Anleitung für Gemeindebau in unserem Umfeld zu verwirklichen. Für die Umsetzung dieser verantwortungsvollen Aufgabe wünsche ich dir, lieber Bruder R., Gottes Segen und Beistand. [ … ]

Herzliche Grüße und Gottes Segen dir und deiner Familie und deiner HG-Familie – Joachim Hübel

Hier kann die Broschüre „Corona-Zeit = Wende-Zeit“ (24 Seiten) kostenlos als pdf-Dokument (2,15 MB) heruntergeladen werden.

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